Yogi

Unzugänglich den Schwängerungen,
sich freuend an jeder Freude
an alles rührend wie der Wind
alles durchdringend wie der Äther
bleibt der Yogi stets ein reiner
Badender im Fluß
Er freut sich an jeder Freude und kein Übel beschmutzt ihn.

  - Kalarnavatantra, nach: Henri Michaux, Turbulenz im Unendlichen. Die Wirkungen des Meskalins. Frankfurt am Main 1971

Yogi (2) «Sie haben gewiß von den Jogis gehört, jenen sonderbaren Bettlern, deren Leben halb aus Schnüffelei und halb aus Wundertätigkeit besteht. Durch Reiseberichte sind ihre Kunststücke allgemein bekannt geworden, so daß es überflüssig wäre, sie hier zu erzählen. Wissen Sie aber, worauf ihre Kräfte beruhen?»

«Ich glaube, auf ihrer Fähigkeit, jederzeit den Auto-Somnambulismus hervorzurufen, und auf diese Weise völlig gefühllos zu werden, seherische Kraft zu erlangen,...»

«Richtig. Nun, ich beobachtete Jogis unter Bedingungen, die jeden Betrug ausschließen. Es gelang mir sogar, die Szenen zu photographieren, und die Platte zeigte alles genauso, wie ich es gesehen hatte.

Halluzination war also unmöglich, denn chemische Substanzen halluzinieren nicht... Dann wollte ich ähnliche Fähigkeiten entwickeln. Ich war immer etwas wagemutig und vermochte damals auch nicht die Folgen zu übersehen. Ich machte mich also ans Werk.»

«Nach welcher Methode?»

Ohne mir zu antworten, fuhr er fort: «Die Ergebnisse waren überraschend. Nach kurzer Zeit gelang es mir zu schlafen. Nach zwei Jahren vollzog ich den bewußten Übertritt in die andere Wirklichkeit. Aber diese Praktiken hatten in mir eine äußerst starke innere Unruhe ausgelöst. Ich fühlte mich in einer schrecklichen Weise verloren, hatte die Gewißheit, daß etwas wie Gift in mein Leben eingedrungen war. Gleichzeitig verzehrte mich die Neugier. Ich bewegte mich auf einen Abgrund zu und konnte nicht mehr zurück. Durch eine gewaltige Willensanstrengung gelang es mir, vor der Welt den Schein zu wahren. Doch mit der Zeit ließen sich die in mir geweckten Kräfte immer schwieriger zähmen... Eine etwas länger andauernde Geistesabwesenheit löste die Bewußtseinsspaltung aus. Ich spürte, daß meine Person aus mir herausgetreten war, mein Körper war so etwas wie die Bestätigung des Nicht-Ichs, um für diesen Zustand eine konkrete Benennung zu finden. Da die Eindrücke lebhafter wurden und mir eine angsterregende Hellsichtigkeit verliehen, beschloß ich eines Abends, meinen Doppelgänger zu sehen. Zu sehen, was im ekstatischen Traum aus mir heraustrat, während ich ich selbst blieb.»

«Und es gelang Ihnen?»

«Es geschah eines Abends, fast bei Einbruch der Nacht. Die Spaltung vollzog sich mit der gewohnten Leichtigkeit. Als ich mein Bewußtsein wiedererlangte, stand vor mir in einer Ecke des Zimmers eine Gestalt. Und diese Gestalt war ein Affe, ein furchterregendes Tier, das mich unentwegt anstarrte. Seitdem hat er mich nie mehr verlassen. Ich sehe ihn immer. Ich bin ihm ausgeliefert. Wohin er will, gehe ich mit mir, mit ihm. Er ist immer da. Nie wendet er den Blick von mir, doch nie kommt man ihm näher, er bewegt sich nie, ich bewege mich nie...»    - Leopoldo Lugones, Ein unerklärliches Phänomen. In: L. L., Die Salzsäule. Stuttgart 1984 (Die Bibliothek von Babel 15, Hg. Jorge Luis Borges)

Yogi (3)
 

Erlösungsbranche Id genus omne

 

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