eheimversammlung Einmal im Jahr treffen sich alle Mütter auf einer riesigen Geheimversammlung, um die neuesten Informationen auszutauschen. Rezepte, Spiele, die-Schlüsselsätze, die sie gegen ihre Kinder einsetzen können. «Was hat deine immer gesagt, wenn sie wollte, daß du dich schuldig fühlst?»
«Ich hab mir die Hände für dich wundgearbeitet», sagt das Mädchen.
«Stimmt! Und natürlich hat sie auch diese entsetzlichen Pichelsteinersachen gemacht, mit Kartoffen, u-und zerkochten Gemüsen —»
«Und Schweinefleisch! Winzigen Fitzeln Schweinefleisch!»
«Genau! Genau! Es kann kein Zufall sein! Sie haben, auch einen Wettbewerb,
um die Mutter des Jahres, mit Brustgeben, Windelwechseln, dabei wird die Zeit
genommen, Eintopfwettkochen, ja, und dann, nach den Vorausscheidungen, beginnen
sie mit den Kindern! Der Generalstaatsanwalt kommt auf die Bühne: ‹Albrecht,
wir werden jetzt gleich deine Mutter vor den Vorhang bitten. Hier hast du eine
Luger, durchgeladen und entsichert. Der Staat garantiert dir absolute Straffreiheit.
Du kannst tun, was du willst- alles! Viel Glück, mein Junge.› Die Pistolen sind
mit Platzpatronen geladen, natürlich, aber das unglückliche Kind weiß es nicht.
Nur die Mütter, auf die tatsächlich geschossen wird, qualifizieren sich für
die Endrunde. Die wird mit Psychiatern ausgetragen, und die Preisrichter sitzen
mit Stoppuhren daneben, um zu sehen, wie schnell die Kinder zusammenbrechen.
‹Also, Olga, war das nicht lieb von deiner Mutti, dein Techtelmechtel
mit diesem langhaarigen Poeten zu beenden?› ‹Wie wir sehen, haben du und deine
Mutter ein sehr, äh, inniges Verhältnis, Hermann. Erinnerst du dich noch,
wie sie dich überrascht hat, als du in ihren Handschuh onaniert hast?
Ja?› Krankenwärter stehen bereit, um die geifernden, brüllenden, sich in klonischen
Zuckungen windenden Kinder wegzuschleifen. Zum Schluß ist nur noch eine Mutter
auf der Bühne übrig. Sie setzen ihr den traditionellen Blumenhut auf den Kopf
und überreichen ihr Apfel und Szepter, in diesem Fall verkörpert von einem vergoldeten
Schmorbraten und einer Peitsche, und das Orchester spielt Tristan und Isolde.»
- Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981