Wundertäter   Es machte dem Küster von Santiago Angst, daß er soviel Aufsehen erregte, denn er »tat es nicht mit Absicht«, wie er eines Tages meinem Onkel Thomaz, dem Dekan der Kathedrale, erklärte, der ihn rügte und ihm mit Verboten drohte, wenn er nicht auf der Stelle mit seinen sogenannten Wundern aufhörte, von denen viel zuviel die Rede war und die schließlich ihnen beiden Ärger mit Rom bringen würden. Doch jeden Tag wuchs die Schar der Kranken, die in die Kathedrale strömten und sich um den abgehetzten Wundertäter drängten, und wenn unser armer kleiner Küster auch zu fliehen versuchte, um seinem Beschützer zu gehorchen und keinen Anlaß zum Skandal zu geben, so wurde er doch von der Menge angezogen, bekam Mitleid, trat näher heran, konnte nicht mehr an sich halten und nahm sich schließlich der Leiden eines jeden an: Er legte seine rechte Hand auf Wunden und Geschwüre, ließ seine Augen auf dem Leib unfruchtbarer Frauen ruhen, preßte seine Lippen auf den Mund sterbender Kinder, die man ihm reichte, gab allen Gesundheit, Liebe, Leben wieder und vollbrachte Wunderdinge, häufig ohne sein Wissen. Wie mir eine Stickerin sagte, die Mutter eines gelähmten Mädchens, das aufgesprungen und hinter ihm her gelaufen war, als der Arme an einem Tag mit allzuviel Andrang eingeschüchtert die Flucht ergriffen hatte und zum Ende des Kirchenschiffs geeilt war, um sich in der Sakristei einzuschließen: ‹Selbst wenn er nicht will und sich umdreht, el chico, dann heilt er von hinten!‹    - Blaise Cendrars, Wahre Geschichten. Zürich 1979
 
 

Wunder Id genus omne

 

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Verwandte Begriffe
WundermannGaukler
Synonyme
Thaumaturg