Würger   Der Mensch ist gut. Wie könnte man sonst so dicht aufeinanderhocken? Jeder erzählt es von sich. Keiner hatte angegriffen. Jeder war der Angegriffene. Man spickte den Krieg mit Phrasen, um ihn schmackhaft zu machen. Dem wahren Krieger, dem Manne beschränkter, doch gradliniger Tat war das bis ins Innerste zuwider. Ganz sicher erschien die Brutalität nie gemeiner als unter diesem Lumpengewande, dieser dünnen Tünche einer sogenannten Kultur.

Gewiß, es hat Zeiten gegeben, die grausamer waren. Wenn asiatische Despoten, wenn ein Tamerlan das klirrende Gewölk seiner Horden über weite Länder trieb, lag vor ihnen Feuer, Wüste im Rücken. Die Bewohner riesiger Städte wurden lebendig begraben oder blutige Schädel zu Pyramiden gehäuft. Mit tiefer Leidenschaft wurde geplündert, geschändet, gesengt und gesotten.

Trotzdem: diese großen Würger sind sympathischer. Sie handelten, wie es ihrem Wesen entsprach. Töten war ihnen Moral, wie den Christen Nächstenliebe. Sie waren wilde Eroberer, doch ebenso geschlossen und rund in ihrer Erscheinung wie die Hellenen in der ihren. Man kann Genuß an ihnen empfinden wie an bunten Raubtieren, die mit kühnen Lichtern in den Augen durch tropische Dickungen brechen. Sie waren vollendet in sich.  - Ernst Jünger, Der Kampf als inneres Erlebnis. Stuttgart 1980 (zuerst 1922)

 

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