ürgeengel  Die Spitze eines Zweigs der großen Wolfsmilch, der über und über mit rostbraunen Blattläusen bevölkert ist, wird von mir in ein Reagenzglas gesetzt zusammen mit einem halben Dutzend Chalcididae, Blattlauszehrwespen mit Legebohrer, die sich in ihrer Arbeit durch meine Verrichtungen beim Transport und Einführen ins Reagenzglas nicht haben stören lassen. Nun haben wir alles, was wir brauchen, um in Ruhe, notfalls auch durch die Lupe, zu beobachten, wie kunstvoll sie in den Eingeweiden der Blattläuse zu wühlen verstehen.

Da ist eine, die ganz munter auf dem Rücken der Herde hin- und herläuft. Mit einem Blick sucht sie sich eine Laus nach ihrem Geschmack aus. Nun hat sie eine entdeckt. Da das Insekt am Zweig keinen Halt findet — die Läuseschicht ist viel zu dick —, setzt es sich auf eine der Blattläuse in der allernächsten Umgebung seines ausgewählten Opfers; dann zieht es den Bauch des Opfers heraus und zu sich heran, so daß der Operateur die Spitze seines Instruments immer genau vor Augen hat. So kann man das Werkzeug arbeiten sehen, so wird der Legebohrer besser auf den mathematisch genau berechneten Punkt gerichtet, den es zu erreichen gilt, ohne den Patienten zu töten.

Die Spicknadel wird gezückt, sie ist kurz und dünn. Ohne jedes Zögern dringt sie in den Wanst, ein butterweiches Bläschen, ein. Die getroffene Blattlaus wehrt sich keineswegs, die Prozedur wird auf ganz sanfte Weise durchgeführt. So! Das wär‘s! Nun ist ein Ei an Ort und Stelle im fetten Bauch untergebracht.

Die Blattlauszehrwespe zieht ihr chirurgisches Messer wieder ein. Sie reibt sich ihre Hinterfüße; mit den von Speichel feuchten Tarsen glättet sie die Flügel, zweifellos ein Zeichen dafür, daß sie zufrieden ist: Der Einstich ist geglückt. Sie trifft eine zweite Wahl, eine dritte, eine vierte, von kurzen Ruhepausen unterbrochen. Und das dauert Tage und Tage, so lange, bis die Eierstöcke erschöpft sind.

Die Blattlaus-Schlupfwespe Trioxys angelicae (Aphidiidae)
beim Ablegen eines Eies in die Grüne Apfellaus.
Beispiel für Eiablagen von Schlupfwespen dieser Gruppe
in Blattläuse mit Hilfe eines zum
Festhalten des Wirtes geeigneten Hinterleibendes.

Auf seine Schlankheit und Winzigkeit vertrauend, arbeitet der Würgeengel weiter, auch unter meiner Lupe, während ich mit der einen Hand den Zweig und mit der anderen das Vergrößerungsglas festhalte. Was bin ich schon für ihn? Gar nichts. Meine gewaltige Größe verhindert, daß er mich überhaupt vom Grund seines Nichts aus wahrnimmt. Seine Länge beträgt höchstens ganze zwei Millimeter. Er hat fadendünne Fühler, ein gestieltes Abdomen, das oben und unten rot gefärbt ist. Der gesamte übrige Körper leuchtet herrlich schwarz.

Die Chalcidide der grünen Blattläuse auf dem Rosenstock ist größer. Die Unterseite der Brust und die Füße sind beim Weibchen rötlich gefärbt. Das etwas kleinere Männchen ist ganz schwarz. Vielleicht gibt es für jede Art von Blattläusen auch eine besondere Schlupfwespe mit entsprechendem Legebohrer.

Die Blattläuse des Rosenstocks, die von Koliken geplagt werden, wenn der Schmarotzer ihre Eingeweide durchbohrt, verlassen den Zweig, auf dem sie gesaugt haben. Sie entfernen sich von der Ansammlung der Läuse und setzen sich, eine nach der anderen, an den benachbarten Blättern fest, wo sie zu bläschenartigen Schalen austrocknen. Die Läuse der Wolfsmilch hingegen verlassen die Zweige nicht, so daß die Läuseschicht zwar gleich dicht bleibt, sich aber ganz langsam in eine Masse trockener Schläuche verwandelt.

Um ihre leer gefressene Blattlaus zu verlassen, die sich inzwischen gewissermaßen in ein Gehäuse verwandelt hat, bohrt die Blattlauszehrwespe ein rundes Loch durch die Haut im Rückenteil. Dabei bleibt die Haut selbst erhalten, blaß, ausgetrocknet, sie verzieht sich nicht, wird dickhäutiger als in lebendem Zustand. Dieser Überrest der verzehrten Laus haftet so fest an dem Rosenblatt, daß ich ihn mit den Haaren meines Pinsels oft nicht abzulösen vermag; ich muß schon zur Hebelkraft einer Nadel greifen. Das alles wundert mich sehr. Es kann nicht von den kleinen Krallen der toten Laus herrühren, die fest in dem Blatt stecken. Noch irgend etwas anderes ist dabei im Spiel.

Nehmen wir die vertrocknete Blattlaus vorsichtig ab, und schauen wir uns die Unterseite etwas genauer an. Der Bauch des Tieres ist der Länge nach aufgeschlitzt, und zwischen den Schnitträndern ist ein Stück Stoff eingesetzt, so wie wir es an unseren zu eng gewordenen Kleidern zu machen pflegen. Und eben dieses Stück Stoff ist ein Gewebe, das sich durch seine Struktur deutlich von der vertrockneten pergamentartigen übrigen Haut unterscheidet. Es ist Seidenware und kein Leder.

Als die im Innern der Laus eingeschlossene Larve ihre Stunde nahen fühlte, hat sie die leer gefressene Schale kurzerhand mit Seide ausgekleidet; dann hat sie ihren Wirt vom einen Ende zum anderen aufgeschlitzt, oder aber der Riß hat sich durch das Stoßen und Drängen des wachsenden Inhalts von selbst gebildet. An dieser klaffenden Stelle hat die Larve ihre Seide üppiger versponnen als anderswo, um so ganz eng verwachsen mit dem Blatt einen breiten festhaftenden Streifen herzustellen, der wie Appretur den Regen, den Wind, die Bewegung der Blätter abhält, damit in dem Gehäuse der Blattlaus die sich vollziehende Verwandlung des Gastes in aller Ruhe erfolgen kann. - (fab2)

Würgeengel (2) Die Eheleute Nobile geben eine Party, als die Bediensteten plötzlich ihre Posten verlassen. Die Gäste bleiben entgegen den gesellschaftlichen Konventionen über Nacht im Haus. Am nächsten Morgen stellen alle fest, dass sie den Raum, in dem sie sich befinden, nicht mehr verlassen können, obwohl sie physisch nicht daran gehindert werden. Offene Türen und Fenster ließen ein Verlassen jederzeit zu. Andererseits wagen sich Außenstehende und Schaulustige außerhalb des Hauses auch nicht in das Haus hinein, um den „Eingeschlossenen“ zu helfen. Es vergehen einige Tage, die Menschen werden nervös und hysterisch. Nahrungsmittel und Wasser gehen aus. Einer der Gäste stirbt, ein junges Paar begeht Selbstmord. - Luis Buñuel, nach Wikipedia

Würgeengel (3) Monbars („l'exterminateur“), bekannt als Bukanier der Südsee, war ein Edelmann aus dem Languedoc und wurde "Würgeengel" genannt.

Er war besonders bekannt durch seine extrem grausamen Foltermethoden. Sein Hass richtete sich vor allem gegen Spanien und unter dessen Flagge segelnde Schiffe. Diesen Hass eignete er sich aufgrund einer Erzählung an, in welcher von Spaniern verübte Grausamkeiten an amerikanischen Indianern berichtet wurden. Monbars war einer der ersten Piraten aus Europa, der sich in der Südsee durch seine Plünderungen einen Namen machte. - Wikipedia

Würgeengel (4)  Ich werde ihm, meinem Bruder, die frohe Botschaft auf den Schädel hämmern, und er wird beseligt sein. Und ich werde Würgeengel sein im Haus, der Würgeengel des Mitleids. Dann will ich die Hölle zum zweiten Mal aufrufen, ich will rächen der Sünden größte und kleinste, die an mir und den Meinen, an Witwe und Waisen begangen worden sind. Ich will euch meinen Hass in den Kopf gerben und in den Bauch löchern, und meines Hasses Flamme soll eure Häuser verzehren und mein Haus und meines Vaters Haus und das Warenhaus dazu.  -  Hans Schmid, Telepolis vom  07.11.2009

Würgeengel (5)  Während er in tränenlosem Wahnsinn so vor sich hinredete, trat die alte Vasthi mit einer Diebeslaterne in das Zimmer gegenüber, öffnete einen Schrank und nahm einige Beutel heraus, die sie in ihre lange Seitentasche steckte. Dann nahm sie den Brautschmuck der Erstarrten vom Kopfe, und maß mit einem Bande ihre Länge, wohl nicht zu einem Kleide, sondern zur Auswahl des Sarges. Und nun setzte sie sich auf das Bett, und es schien, als ob sie bete. Und der Majoratshcrr vergab ihr den Diebstahl für dies Gebet und betete mit ihr. Und wie sie gebetet hatte, zogen sich alle Züge ihres Antlitzes in lauter Schatten zusammen, wie die ausgeschnittenen Kartengesichter, welche einem Lichte entgegengestellt, mit dem durchscheinenden Lichte ein menschliches Bild darstellen, das sie doch selbst nicht zu erkennen geben: sie erschien nicht wie ein menschliches Wesen, sondern wie ein Geier, der lange von Gottes Sonne gnädig beschienen, mit der gesammelten Glut auf eine Taube niederstößt. So setzte sie sich wie ein Alpdruck auf die Brust der armen Esther, und legte ihre Hände an ihren Hals. Der Majoratsherr meinte einige Bewegungen am Kopf, an Händen und Füßen der schönen Esther zu sehen; aber Wille und Entschluß lagen ihm wie immer fern, der Anblick ergriff ihn, daß er es nicht meinte überleben zu können. »Der grimmige Geier, die arme Taube!« - Und wie Esther das Ringen aufgab und ihre Arme über den Kopf ausstreckte, da erlosch das Licht, und aus der Tiefe des Zimmers erschienen mit mildem Gruße die Gestalten der ersten reinen Schöpfung, Adarn und Eva, unter dem verhängnisvollen Baume, und blickten tröstend zu der Sterbenden aus dem ewigen Frühlingshimmel des wiedergewonnenen Paradieses, während der Todesengel zu ihrem Haupte mit traurigem Antlitze in einem Kleide voll Augen mit glänzendem gesenkten Flammenschwerte lauerte, den letzten bittern Tropfen ihren Lippen einzuflößen. So saß der Engel wartend tiefsinnig, wie ein Erfinder am Schlusse seiner mühevollen Arbeit. Aber Esther sprach mit gebrochener Stimme zu Adam und Eva: »Euretwegen muß ich so viel leiden!« - Und jene erwiderten: »Wir taten nur eine Sünde, und hast du auch nur eine getan?« - Da seufzte Esther, und wie sich ihr Mund öffnete, fiel der bittre Tropfen von dem Schwerte des Todesengels in ihren Mund, und mit Unruhe lief ihr Geist durch alle Glieder getrieben, und nahm Abschied von dem schmerzlich geliebten Aufenthaltsorte. Der Todesengel wusch aber die Spitze seines Schwertes in dem offenen Wasserbecher vor dem Bette ab, und steckte es in die Scheide, und empfing dann die geflügelte, lauschende Seele von den Lippen der schönen Esther, ihr reines Ebenbild. Und die Seele stellte sich auf die Zehen in seine Hand und faltete die Hände zum Himmel, und so entschwanden beide, als ob das Haus ihrem Fluge kein Hindernis sei.   - Achim von Arnim, Die Majoratsherren
 
Engel Erwürgen
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