Wünschelrute  Was ihnen in der Meinung der Leute besonders schadete, war die Wahl ihres Dieners. In Ermangelung eines andern hatten sie Marcel angenommen.

Wegen seiner Hasenscharte, seiner Häßlichkeit und seines Kauderwelschs gingen ihm die Leute aus dem Wege. Als Findelkind schutzlos sich selbst überlassen, war er in freier Wildnis aufgewachsen und hatte von seinem langen Elend her einen unstillbaren Hunger behalten. An Krankheit verrecktes Vieh, ranziger Speck, ein krepierter Hund, alles war ihm recht, wenn es nur ein großes Stück war; dabei war er sanft wie ein Lamm, aber vollkommen stumpfsinnig.

Die Dankbarkeit hatte ihn dazu getrieben, sich den Herren Bouvard und Pécuchet als Diener anzubieten; daneben hoffte er auf außerordentlichen Gewinn, denn er hielt sie für Hexenmeister.

Schon in den ersten Tagen vertraute er ihnen ein Geheimnis an. In der Heide von Poligny hatte einst ein Mann einen Goldbarren gefunden. Die Anekdote wird bei den Historikern von Falaise berichtet; diese kennen jedoch den Schluß nicht: zwölf Brüder hatten, ehe sie zu einer Reise aufbrachen, zwölf gleiche Goldbarren entlang der Straße von Chavignolles bis Bretteville vergraben - und Marcel beschwor seine Herren, die Nachforschungen wieder aufzunehmen. Diese Barren, sagten sie sich, sind vielleicht zur Zeit der Emigration verscharrt worden.

Hier lag ein Fall vor, bei dem man sich der Wünschelrute bedienen muß. Ihre Kräfte sind zweifelhaft. Sie studierten jedoch die Frage - und erfuhren, daß ein gewisser Pierre Garnier wissenschaftliche Gründe zu ihrer Verteidigung anführt: die Quellen und die Metalle strömten winzige Körper aus, die auf das Holz eine Anziehungskraft ausübten.

Das ist zwar keineswegs wahrscheinlich. Aber wer weiß? Versuchen wir's jedenfalls!

Sie schnitten sich eine Astgabel vom Haselnußstrauch, und eines Morgens brachen sie zur Suche des Schatzes auf.

»Wir werden ihn herausgeben müssen«, sagte Bouvard.

»Ach was! Das fehlte noch!«

Nach einem Marsch von drei Stunden kam ihnen ein Gedanke, der sie stehenbleiben ließ: »Die Landstraße von Chavignolles nach Bretteville - war das die alte oder die neue? Es mußte doch die alte sein!«

Sie kehrten gleich wieder um und liefen auf gut Glück hin und her, denn die Spur der alten Straße war nicht leicht zu erkennen.

Marcel rannte von rechts nach links wie ein Hühnerhund auf der Jagd. Alle fünf Minuten mußte ihn Bouvard zurückrufen; Pécuchet ging Schritt für Schritt vor und hielt dabei die Rute an beiden Gabelenden, mit der Spitze nach oben. Oft schien es ihm, als würde sie mit Macht wie von einem Haken zu Boden gezogen, und Marcel machte dann in aller Eile einen Einschnitt in die nächsten Bäume, um die Stelle später wiederzufinden.

Doch da verlangsamte Pécuchet seine Schritte. Sein Mund stand offen, seine Augen verdrehten sich. Bouvard rief ihn an, er rüttelte ihn an den Schultern; Pécuchet aber rührte sich nicht und blieb in seiner Erstarrung, genau wie die Barbee.

Danach erzählte er, daß er einen reißenden Schmerz in der Gegend des Herzens gefühlt habe, einen ganz sonderbaren Zustand, der zweifellos von der Rute herrührte; und er wollte sie nicht mehr anfassen.   - (bouv)

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