ochenende,
verdorbenes Elf Tage nach der Entführung des Olympia-Springreiters:
Snoek-Sonderkommission schlägt zu! Es hagelte Festnahmen. Im Flug PA 684 von
Frankfurt nach Berlin-Tegel saßen vier „Very Important Persons", VIPs,
also vier wichtige Personen - zumindest für die Polizei; denn sie, so argwöhnte
und hoffte die Kripo, konnten die Entführer des Münsteraner Springreiters und
Millionärserben Hendrik Snoek, 28, sein. Die VIPs hatten die Pan-Am-Maschine
gerade verlassen, als sie auch schon festgenommen wurden. Das war Sonnabend
um 12 Uhr 15. Genau 30 Stunden später feierten diese Männer und mehrere ihrer
ebenfalls geschnappten angeblichen „Komplizen" bei Bier und Schampus die
Freilassung. Einige sind zwar der Polizei bekannt, aber Hendrik Snoek haben
sie offenbar nicht gekidnappt. Davon konnten sie selbst die hartnäckigsten Beamten
der 50köpfigen Snoek-Sonderkommission überzeugen. Tagelang hatte die Münsteraner
Polizei, verstärkt durch Spezialisten aus dem Düsseldorfer Landeskriminalamt,
in mühseliger Kleinarbeit Hinweis für Hinweis verfolgt - stets ohne greifbares
Ergebnis. Am vergangenen Mittwoch meldete sich ein Mann am Telefon: die Kette,
mit der Snoek im Autobahngefängnis an die Wand gekettet war, stamme zweifelsohne
aus einer bestimmten Werkstatt —— Am Donnerstag trommelte der ermittelnde Staatsanwalt
Wolf Juschka, wie schon bei Snoeks Kidnapping, in Siegen die Presse zusammen,
offenbarte die "heißen" Spuren und vergatterte die Journalisten zum
Stillschweigen. Kein Laut drang an die Öffentlichkeit. Zu diesem Zeitpunkt wurden
die Hauptverdächtigen, sieben an der Zahl, längst beschattet. Am Sonnabendmorgen
meldeten die polizeilichen Späher die Abreise eines Quartetts nach Frankfurt
zum Flughafen. Am Schalter kauften die Männer vier Tickets für die Maschine,
die um 11 Uhr 20 nach Berlin startete. Sie wollten nicht fliehen, sondern sich
nur vergnügen - beim Lokalderby der Bundesligavereine Hertha BSC gegen Tennis
Borussia Berlin. Während sie wegen des schnellen Zugriffs die Eintrittskarten
verfallen lassen mußten und von Herthas 2:0-Sieg in der Polizeizelle erfuhren,
verdarb die Snoek-Sonderkommission auch einem weiteren Dutzend Männer und Frauen
im Siegerland den Wochenend-Frieden - es hagelte nur so Festnahmen und Hausdurchsuchungen.
Der Kaufmann Jochen R., 28, wurde bei Neunkirchen gefaßt. Als er hörte, weshalb,
bekam er einen anhaltenden Lachkrampf. In einer Siegener Autoverwertungsfirma
„kassierten" Polizeibeamte auf einen Schlag den Mitinhaber, die Frau eines
Kollegen, einen Gelegenheitsarbeiter, einen Kunden, der gerade ein Auto bringen
wollte, und zwei andere Besucher, die Autositze gekauft hatten. Beamte der Sonderkommission
verfolgten in wilder Jagd einen VW-Buggy, der vom Chef jener Autoverwertung
gesteuert wurde. Schließlich konnte er gestellt und mit zwei Verwandten zum
Verhör gebracht werden. Auf der Polizeistation, in die alle Verdächtigen erst
einmal gebracht worden waren, ging es zu wie in einem dicht besetzten Wartesaal
eines Bahnhofs. In diesem Tohuwabohu wurde ein forsch auftretender Zeuge mit
einem Kriminalbeamten verwechselt - seelenruhig konnte er in den Vernehmungsprotokollen
stöbern. Mindestens zwei der Berlin-Reisenden sind, so war am Wochenende in
Siegen zu hören, in eine Betrugsaffäre von Millionenausmaß verwickelt, wegen
der zur Zeit in Koblenz ermittelt wird. Ende dieses Jahres sollte der Prozeß
beginnen. Kleinlaut, aber bestimmt mußten die Beamten der Sonderkommission den
Fehlschlag eingestehen. Zu sehr hatten sie sich auf den telefonischen Tip und
die weitergehenden Aussagen eines Barbesitzers verlassen, der angeblich den
Wagen des Autoverwerters just in den Tagen des Kidnappings auf der Ambachtalbrücke,
Snoeks Gefängnis, gesehen haben will. Ein Beamter: „Wenn Sie mich direkt fragen:
Die ganze Sache ist gegessen."
- (
net
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