itwe, sympathische Madame Parmentier Ist eine Witwe von rund fünfundsiebzig Jahren. Dünn wie'n Hering. In ihrem ausgemergelten Gesicht blitzen äußerst flinke, erstaunlich junge Auglein hinter einer großen Hornbrille. Sie trägt beinahe zerlumpte Kleidung, aber nicht aus Geiz oder Geldmangel. Hat nur einen exzentrischen Geschmack. Die Wohnung am Boulevard Poniatowski konnte moderner möbliert sein, aber nicht kostspieliger.
Kurz nach Mittag kreuze ich bei der Witwe auf. Sie ißt gerade, wird bedient
von einem Dienstmädchen, das kaum jünger ist als sie. Dünn ist sie wohl von
Natur aus. Denn eine Diät hält sie offenbar nicht ein. Sie empfängt mich ohne
Umstände. Ich störe sie nicht die Bohne, und sie fährt fort, sich in meiner
Anwesenheit vollzustopfen. Sie ist mir auf Anhieb sympathisch. Auf der gestickten
Tischdecke liegt ein Kriminalroman mit blutrünstigem Umschlag. Andere Bücher
vom selben Kaliber liegen auf einem Stuhl, zusammen mit einem Päckchen Gauloises.
Neben einer Flasche Burgunder steht auf dem Tisch ein halbvoller Aschenbecher.
Ich glaube, mit Madame Parmentier kann ich ein offenes Wort reden. - Léo Malet, Kein Ticket für
den Tod. Reinbek bei Hamburg 1992 (zuerst 1957)
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