issen, indianisches
Das Wissen und die sprachlichen Mittel, über die es verfügt, erstrecken
sich auch auf die morphologischen Eigenschaften. Die Tewa-Sprache
verwendet unterschiedliche Ausdrücke für jeden oder fast jeden Teil des
Körpers der Vögel und der Säugetiere. Die morphologische
Beschreibung der Baum- oder Pflanzenblätter umfaßt 40 Ausdrücke, und es
gibt 15 verschiedene Ausdrücke, die den verschiedenen Teilen einer
Maispflanze entsprechen.
Die Hanunóo haben für die Beschreibung der wesentlichen Teile und
Besonderheiten der Pflanzen mehr als 150 Ausdrücke, die die Kategorien
festlegen, aufgrund derer sie die Pflanzen identifizieren, und »sie
diskutieren untereinander über Hunderte von Merkmalen, durch die sie
sich unterscheiden und die oft bedeutsamen, heilenden oder nährenden,
Eigenschaften entsprechen.«. Die Pinatubo, bei denen man mehr als 600
benannte Pflanzen gezählt hat, »haben nicht nur eine unerhörte Kenntnis
dieser Pflanzen und ihrer Verwendungsarten; sie gebrauchen mehr als 100
Ausdrücke, um ihre Teile oder charakteristischen Aspekte zu
beschreiben«.
Es ist klar, daß ein so systematisch entwickeltes Wissen nicht allein vom praktischen Nutzen abgeleitet werden kann. Der Ethnologe Speck, der die Indianer der nordöstlichen Vereinigten Staaten und Kanadas, die Montagnais, Naskapi, Micmac, Malecite und Penobscot am besten erforscht hat, sagt, nachdem er auf den Reichtum und die Genauigkeit der zoologischen und botanischen Kenntnisse dieser Stämme hingewiesen hat:
Man könnte dies in bezug auf die Lebensweise des Großwildes erwarten, von dem die Nahrung und die Rohstoffe für die Erzeugnisse der Eingeboreneni ndustrie kommen. Es ist nicht weiter erstaunlich . . ., daß der Jäger des Penobscot-Stammes im Maine-Gebiet eine bessere praktische Kenntnis der Lebensweise und der Eigenschaften des kanadischen Elches besitzt als der erfahrenste Zoologe. Aber wenn wir die Sorgfalt richtig einschätzen, die die Indianer darauf verwandt haben, wissenschaftliche Tatsachen, die sich auf die niederen Formen des Tierlebens beziehen, zu beobachten und zu systematisieren, dann wird man uns ein gewisses Erstaunen zugutehalten.
Die gesamte Klasse der Reptilien... bietet diesen Indianern überhaupt keinen wirtschaftlichen Nutzen; sie verzehren weder das Fleisch der Schlangen noch das der froschartigen Tiere, und sie verwenden auch kein Stück ihrer Haut, außer in sehr seltenen Fällen zur Herstellung eines Zaubermittels gegen Krankheit oder Hexerei.
Und dennoch haben die Indianer des Nordostens, wie Speck
gezeigt hat, eine ganze Wissenschaft von den Reptilien entwickelt, •
mit unterschiedlichen Ausdrücken für jede Gattung und wieder anderen
Ausdrücken für die Arten und Abarten. - Claude Lévi-Strauss, Das wilde Denken. Frankfurt am
Main 1991 (zuerst 1962)
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