Willensfreiheit  Alles, was Platon sagen will, scheint folgendes zu sein: Ehe sie in die Leiber und verschiedenen Lebensformen eingehen, haben die Seelen die Freiheit, die eine oder die andere Lebensform zu wählen, welche sie sodann durch das entsprechende Leben und den der Seele angemessenen Leib zur Ausführung bringen (denn er sagt, daß es bei ihr stehe, das Leben eines Löwen oder das eines Menschen zu erwählen). Jene Willensfreiheit aber ist aufgehoben, sobald die Seele irgendeine derartige Lebensform erlangt hat. Denn nachdem die Seelen in die Körper gelangt und aus freien Seelen zu Lebewesen geworden sind, haben sie nur diejenige Freiheit, die der Beschaffenheit des betreffenden Lebewesens eigen ist, sodaß sie manchmal sehr verständig und vielfach erregbar sind, wie in einem Menschen, manchmal hingegen wenig erregbar und einfältig, wie beinahe bei allen anderen Lebewesen. Die Art der Freiheit aber hängt von der jedesmaligen Beschaffenheit ab, indem sie zwar aus sich selbst heraus sich betätigt, aber geleitet wird gemäß der aus der jedesmaligen Beschaffenheit entspringenden Gesinnung.   - Stobäos, nach: Schopenhauer, Preisschrift Über die Grundlage der Moral

Willensfreiheit (2)   Nun müßte aber das Freie, da Abwesenheit der Nothwendigkeit sein Merkmal ist, das schlechthin von gar keiner Ursache Abhängige seyn, mithin definirt werden als das absolut Zufällige: ein höchst problematischer Begriff, dessen Denkbarkeit ich nicht verbürge, der jedoch sonderbarer Weise mit dem der Freiheit zusammentrifft. Jedenfalls bleibt das Freie das in keiner Beziehung Nothwendige, welches heißt von keinem Grunde Abhängige. Dieser Begriff nun, angewandt auf den Willen des Menschen, würde besagen, daß ein individueller Wille in seinen Aeußerungen (Willensakten) nicht durch Ursachen, oder zureichende Gründe überhaupt, bestimmt würde; da außerdem, weil die Folge aus einem gegebenen Grunde (welcher Art dieser auch sei) allemal nothwendig ist, seine Akte nicht frei, sondern nothwendig wären. Hierauf beruht Kants Definition, nach welcher Freiheit das Vermögen ist, eine Reihe von Veränderungen von selbst anzufangen. Denn dies »von selbst« heißt, auf seine wahre Bedeutung zurückgeführt, »ohne vorhergegangene Ursache«: dies aber ist identisch mit »ohne Nothwendigkeit«. So daß, wenn gleich jene Definition dem Begriff der Freiheit den Anschein glebt, als wäre er ein positiver, bei näherer Betrachtung doch seine negative Natur wieder hervortritt. - Ein freier Wille also wäre ein solcher, der nicht durch Gründe, - und da Jedes ein Anderes Bestimmende ein Grund, bei realen Dingen ein Real-Grund, d. i. Ursache, seyn muß, - ein solcher, der durch gar nichts bestimmt würde; dessen einzelne Aeußerungen (Willensakte) also schlechthin und ganz ursprünglich aus Ihm selbst hervorgiengen, ohne durch vorhergängige Bedingungen nothwendig herbeigeführt, also auch ohne durch irgend etwas, einer Regel gemäß, bestimmt zu seyn. Bei diesem Begriff geht das deutliche Denken uns deshalb aus, weil der Satz vom Grunde, In allen seinen Bedeutungen, die wesentliche Form unsers gesammten Erkenntnißvermögens ist, hier aber aufgegeben werden soll.   - Schopenhauer, Über die Freiheit des menschlichen Willens

Willensfreiheit (3) Jakob:  »Mein Hauptmann pflegte auch noch zu sagen, der Genuß einer Freiheit, die man ohne Beweggrund ausüben könnte, wäre das wahre Kennzeichen eines Wahnsinnigen,«

Der Herr: »Das ist mir zu hoch. Aber trotz deinem Hauptmann und entgegen allem, was du sagst, werde ich doch weiter glauben, daß ich dann will, wenn ich will.«

Jakob: »Aber wenn Ihr frei seid, zu wollen, und es immer gewesen seid, weshalb wollt Ihr jetzt nicht eine Hetze lieben? Und warum habt Ihr nicht jedesmal aufgehört, Agathe zu lieben, wenn Ihr es wolltet? Herr, man verbringt drei Viertel seines Lebens damit, zu wollen, ohne etwas zu tun.«

Der Herr: »Das stimmt.«

Jakob: »Und etwas zu tun, ohne es zu wollen.«

Der Herr: »Kannst du mir das beweisen?«

Jakob: »Wenn Ihr einverstanden seid.«

Der Herr: »Mir soll's recht sein.«

Jakob: »Das soll geschehen, und jetzt reden wir von etwas anderem , . .«   - (jak) 

 

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