Wille, magischer Im Jahre 1854 habe ich das Glück gehabt, die außerordentlichen Leistungen  des Herrn Regazzoni aus Bergamo hier zu sehn, in denen die unmittelbare, also magische Gewalt seines Willens über Andere unverkennbar und im höchsten Grade erstaunlich war, und deren Aechtheit Keinem zweifelhaft bleiben konnte, als etwan Dem, welchem die Natur alle Fähigkeit zur Auffassung pathologischer Zustände gänzlich versagt hätte: dergleichen Subjekte giebt es jedoch; man muß aus ihnen Juristen, Geistliche, Kaufleute oder Soldaten machen; nur um des Himmels willen keine Aerzte: denn der Erfolg würde mörderisch seyn, sintemal in der Medicin die Diagnose die Hauptsache ist. - Seine mit ihm in Rapport [Verbindung] stehende Somnambule konnte er beliebig in vollständige Katalepsie [Muskelstarre] versetzen, ja, er konnte durch seinen bloßen Willen, ohne Gestus, wenn sie gieng und  hinter ihr stand, sie rücklings niederwerfen. Er konnte sie lähmen, in Starrkrampf versetzen, mit erweiterten Pupillen, völliger Unempfindlichkeit, und den unverkennbarsten Zeichen eines völlig kataleptischen Zustandes. Eine Dame aus dem Publiko ließ er Klavier spielen, und dann, 15 Schritte hinter ihr stehend, lähmte er sie, durch Willen mit Gestus, so, daß sie nicht weiter spielen konnte. Dann stellte er sie gegen eine Säule und zauberte sie fest, daß sie nicht vom Fleck konnte, trotz der größten Anstrengung. - Nach meiner Beobachtung sind fast alle seine Stücke daraus zu erklären, daß er das Gehirn vom Rückenmark isolirt, entweder gänzlich, wodurch alle sensiblen und motorischen Nerven gelähmt werden und völlige Katalepsie entsteht; oder die Lähmung bloß die motorischen Nerven trifft, wo die Sensibilität bleibt, also der Kopf sein Bewußtseyn behält, auf einem ganz scheintodten Körper sitzend. Eben so wirkt die Strychnine: sie lähmt allein die motorischen Nerven, bis zum völligen Tetanus, der zum Erstickungstode führt; hingegen läßt sie die sensiblen Nerven, folglich auch das Bewußtseyn, unversehrt. Das Selbe leistet Regazzoni durch den magischen Einfluß seines Willens. Der Augenblick jener Isolation ist durch eine gewisse eigenthiimliche Erschütterung des Patienten deutlich sichtbar.   - Arthur Schopenhauer, Über den Willen in der Natur
 
 

Wille Magie

 

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