iderlegung    Theosophische Vorträge des Dr. Rudolf Steiner, Berlin. Rhetorische Wirkung: Behagliche Besprechung der Einwände der Gegner, der Zuhörer staunt über diese starke Gegnerschaft, der Zuhörer gerät in Sorge, völlige Versenkung in diese Einwände, als gäbe es sonst nichts, der Zuhörer hält jetzt eine Widerlegung überhaupt für unmöglich und ist mit einer flüchtigen Beschreibung der Verteidigungsmöglichkeit mehr als zufriedengestellt.   - Franz Kafka, Tagebücher (26.  März 1911) Frankfurt am Main 1967

Widerlegung (2)  Es gibt eine Stelle in dem Bekenntnisbuche, in der sich jener inkurable Optimismus mit einem wahrhaft feiertagsmäßigen Behagen daherwälzt. „Wenn die Welt ein Ding ist, sagt Strauß, das besser nicht wäre, ei so ist ja auch das Denken des Philosophen, das ein Stück dieser Welt bildet, ein Denken, das besser nicht dächte. Der pessimistische Philosoph bemerkt nicht, wie er vor allem auch sein eigenes, die Welt für schlecht erklärendes Denken für schlecht erklärt; ist aber ein Denken, das die Welt für schlecht erklärt, ein schlechtes Denken, so ist ja die Welt vielmehr gut. Der Optimismus mag sich in der Regel sein Geschäft zu leicht machen, dagegen sind Schopenhauers Nachweisungen der gewaltigen Rollen, die Schmerz und Übel in der Welt spielen, ganz am Platze; aber jede wahre Philosophie ist notwendig optimistisch, weil sie sonst sich selbst das Recht der Existenz abspricht." Wenn diese Widerlegung Schopenhauers nicht eben das ist, was Strauß einmal an einer anderen Stelle eine „Widerlegung unter dem lauten Jubel der höheren Räume" nennt, so verstehe ich diese theatralische Wendung, deren er sich einmal gegen einen Widersacher bedient, gar nicht. Der Optimismus hat sich hier einmal mit Absicht sein Geschäft leicht gemacht. Aber gerade das war das Kunststück, so zu tun, als ob es gar nichts wäre, Schopenhauer zu widerlegen, und die Last so spielend fortzuschieben, daß die drei Grazien an dem tändelnden Optimisten jeden Augenblick ihre Freude haben. - Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen (zuerst 1873)

Widerlegung (3)    Inbrünstig liebe ich die Astronohmen, Poeten, Metafysiker, Privatdozenten, Chemiker und anderen Priester der Wissenschaft, zu denen Sie sich zählen kraft Ihren klugen Fakten und Sprößlingen der Wissenschaften, d. h. ihren Produkten und Früchten. Man sagt, daß Sie viele Bücher in Druck gegeben haben während des geistigen Sitzens mit Röhren, Termometern und einer Flut von ausländischen Büchern mit verführerischen Zeichnungen. Neulich kam in meine kläglichen Besitzungen, meine Ruinen und Trümmer der hiesige maximus pontifex Vater Gerasim und mit dem ihm eigenen Fanatismus tadelte und schalt er Ihre Gedanken und Ideen bezüglich der Abstammung des Menschen und anderer Fenomene der sichtbaren Welt und empörte und ereiferte sich gegen Ihre geistige Sfere und Denkhorizont, der bedeckt ist von Leuchten und Aeroglyten. Ich bin nicht der Meinung von V. Gerasim bezüglich Ihrer geistigen Ideen, denn ich lebe und nähre mich einzig von der Wissenschaft, die Die Vorsehung dem Menschengeschlecht gegeben hat zur Hebung wertvoller Metalle, Metalloide und Brillanten aus dem Schöße der sichtbaren und der unsichtbaren Welt, dennoch verzeihen Sie, Batjuska, mir einem kaum sichtbaren Insekt, wenn ich es wage, nach Greisenart einige Ihrer Ideen bezüglich des Wesens der Natur zu widerlegen. Vater Gerasim teilte mir mit, daß Sie ein Werk verfaßt hätten, in dem Sie beliebten nicht ganz zutreffende Ideen hin sichtlich der Menschen und ihres ursprünglichen Zustandes und vorsintflutlichen Daseins darzulegen. Sie beliebten zu verfassen, daß der Mensch abstamme von den Affenstämmen der Meerkätzchen, Orangutangs usf. Verzeihen Sie mir altem Manne, aber ich bin nicht Ihrer Meinung bezüglich dieses ernsten Punktes und kann Ihnen ein Komma aufsetzen. Denn, wenn der Mensch, der Herrscher der Welt, das klügste unter den athmenden Wesen, vom dummen und unwissenden Affen abstammte, so hätte er einen Schwanz und die Stimme eines Wilden. Wenn wir von den Affen abstammten, so würden uns heute die Zigeuner in den Städten zur Schau stellen und wir würden Geld bezahlen um einander zuzuschauen, wie wir auf Befehl des Zigeuners tanzen oder hinter Gittern im Käfig sitzen. Sind wir etwa rundum behaart? Tragen wir nicht Kleider, deren die Affen ledig sind? Würden wir eine Frau lieben und nicht etwa verachten, wenn sie auch nur ein wenig nach dem Affen röche, den wir jeden Dienstag beim Adelsmarschall sehen. Wenn unsere Ureltern von den Affen abstammten, so hätte man sie nicht auf christlichen Friedhöfen beerdigt; mein Ururgroßvater Amvrosij beispielsweise, der seinerzeit im Königreich Polen lebte, ist nicht als Affe beerdigt worden, sondern neben dem katholischen Abt loakim Szostak, dessen Aufzeichnungen über das gemäßigte Klima und das maßlose Trinken von heißen Getränken mein Bruder Ivan (Maior) bis auf den heutigen Tag aufbewahrt. Abt bedeutet ein katholischer Pope. Entschuldigen Sie mich, daß ich mich mit meiner Unbildung in Ihre gelehrten Angelegenheiten mische und auf meine greisenhafte Art spreche und Ihnen meine unbeholfenen und vielleicht ungeschlachten Ideen aufdränge, die bei gelehrten und zivilisierten Menschen eher im Bauch als im Kopf angesiedelt sind. Ich kann nicht schweigen und nicht dulden, wenn Gelehrte in ihrem Verstande falsch denken und muß Ihnen deßhalb widersprechen.

Vater Gerasim teilte mir mit, daß Sie falsch denken über Frau Luna, d. h. über den Mond, der uns die Sonne ersetzt in den Stunden der Finsternis und Dunkelheit, wenn die Menschen schlafen, Sie dagegen elektrisches Licht einführen und phantasieren. Lachen Sie nicht über einen alten Mann daß ich so dumm schreibe. Sie schreiben, daß auf Frau Luna d. h. auf dem Mond Menschen und Stämme leben und wohnen. Dieses kann niemals sein, denn wenn auf dem Monde Menschen lebten, so würden sie uns sein magisches und zauberhaftes Licht verdecken mit ihren Häusern und fetten Weiden. Ohne Regen können Menschen nicht leben, der Regen fällt aber herab auf die Erde, nicht hinauf auf den Mond. Die Menschen, die auf dem Monde lebten, würden auf die Erde herabfallen, und dies kommt nicht vor. Abfälle und Spülicht würden sich auf unseren Kontinent ergießen von einem bewohnten Mond. Können auf dem Monde Menschen leben, wenn er nur nachts da ist, tagsüber jedoch verschwindet?  - Anton Tschechow, Brief an einen gelehrten Nachbarn, nach: Das Tintenfaß 4. Zürich 1981

Widerlegung (4)  Fand die Kreuzigung Christi mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit statt, so fand (und findet) sie in einem unendlichen Universum unendlich oft statt. Dieses Argument wurde vom heiligen Augustinus verwendet, um zu beweisen, dass das Leben auf der Erde einmalig ist, weil anderenfalls das Erlösungswerk Gottes auch in anderen Welten hätte vonstatten gehen müssen. Thomas Paine (1737-1809) schloss umgekehrt, dass Gott nicht in seinem Sohn Fleisch geworden ist, weil ja offensichtlich andere Welten existieren, in denen es Leben gibt.   - (bar2)

Widerlegung (5)  "Sie sind offenbar der ohnmächtigste von allen Widersachern die mir erschienen und ich werde Sie mit Ihren eignen Waffen schlagen, das heißt mit den Waffen der Vernunft. Es ist vom Wahnsinn die Rede, leidet einer von uns an dieser bösen Krankheit, so ist das offenbar bei Ihnen der Fall in viel höherem Grade als bei mir. Sie behaupten, es sei fixe Idee, daß ich mich für den Märtyrer Serapion halte, und ich weiß recht gut, daß viele Leute dasselbe glauben oder vielleicht nur so tun als ob sie es glaubten. Bin ich nun wirklich wahnsinnig, so kann nur ein Verrückter wähnen, daß er imstande sein werde mir die fixe Idee, die der Wahnsinn erzeugt hat, auszureden. Wäre dies möglich so gab es bald keinen Wahnsinnigen mehr auf der ganzen Erde, denn der Mensch könnte gebieten über die geistige Kraft die nicht sein Eigentum sondern nur anvertrautes Gut der höhern Macht ist, die darüber waltet. Bin ich aber nicht wahnsinnig und wirklich der Märtyrer Serapion, so ist es wieder ein törichtes Unternehmen mir das ausreden und mich erst zu der fixen Idee treiben zu wollen, daß ich der Graf P** aus M. und zu Großem berufen sei. Sie sagen daß der Märtyrer Serapion vor vielen hundert Jahren lebte und daß ich folglich nicht jener Märtyrer sein könne, wahrscheinlich aus dem Grunde, weil Menschen nicht so lange auf Erden zu wandeln vermögen. Fürs erste ist die Zeit ein ebenso relativer Begriff wie die Zahl und ich könnte Ihnen sagen, daß, wie ich den Begriff der Zeit in mir trage, es kaum drei Stunden oder wie Sie sonst den Lauf der Zeit bezeichnen wollen, her sind, als mich der Kaiser Decius hinrichten ließ. Dann aber, davon abgesehen, können Sie mir nur den Zweifel entgegenstellen, daß ein solch langes Leben, wie ich gefühlt haben will beispiellos und der menschlichen Natur entgegen sei. Haben Sie Kenntnis von dem Leben jedes einzelnen Menschen der auf der ganzen weiten Erde existiert hat, daß Sie das Wort beispiellos keck aussprechen können? - Stellen Sie die Allmacht Gottes der armseligen Kunst des Uhrmachers gleich, der die tote Maschine nicht zu retten mag, vor dem Verderben ? - Sie sagen, der Ort, wo wir uns befinden sei nicht die Thebaische Wüste, sondern ein kleiner Wald, der zwei Stunden von B*** liege und täglich von Bauern, Jägern und ändern Leuten durchstreift werde. Beweisen Sie mir das!'

Hier glaubte ich meinen Mann fassen zu können. ,Auf', rief ich, ,kommen Sie mit mir, in zwei Stunden sind wir in B*** und das was ich behauptet, ist bewiesen.'

,Armer verblendeter Tor', sprach Serapion, ,welch ein Raum trennt uns von B***! - Aber gesetzten Falls ich folgte Ihnen wirklich nach einer Stadt die Sie B * * * nennen, würden Sie mich davon überzeugen können, daß wir wirklich nur zwei Stunden wandelten, daß der Ort, wo wir hingelangten wirklich B * * * sei? - Wenn ich nun behauptete, daß eben Sie von einem heillosen Wahnsinn befangen die Thebaische Wüste für ein Wäldchen und das ferne, ferne Alexandrien für die süddeutsche Stadt B * * * hielten, was würden Sie sagen können? Der alte Streit würde nie enden und uns beiden verderblich werden, - Und noch eins mögen Sie recht ernstlich bedenken! - Sie müssen es wohl merken, daß der, der mit Ihnen spricht, ein heitres ruhiges mit Gott versöhntes Leben führt. Nur nach überstandenem Märtyrertum geht ein solches Leben im Innern auf. Hat es nun der ewigen Macht gefallen einen Schleier zu werfen über das was vor jenem Märtyrertum geschah, ist es nicht eine grausame heillose Teufelei, an diesem Schleier zu zupfen?'   - E. T. A. Hoffmann, Der Einsiedler Serapion (Serapionsbrüder)

 

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