erwolf

Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: »Bitte, beuge mich!«

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

»Der Werwolf«, sprach der gute Mann,
»des Weswolfs, Genitiv sodann,
dem Wemwolf, Dativ, wie mans nennt,
den Wenwolf, — damit hats ein End.«

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle. »
Indessen«, bat er, »füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!«

Der Dorfschulmeister aber mußte gestehn,
daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäbs in großer Schar,
doch »Wer« gäbs nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind —
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.

- Christian Morgenstern

Werwolf (2) Das Wau Wau steigerte sich rastlos, fast rhythmisierend, aufsteigend. Mir schwebte der Vergleich mit den Soffioni in den Maremmen vor den Sinnen. So eine Art Geyser von Au- und Waulauten betäubte uns geradezu. Wie konnte ein menschlicher Körper das aushalten? Auf einmal stieg sein Schreien in die schrillste Stimmlage, deren ein solches Gebell, mit äußerster Heftigkeit, nur fähig sein kann! Noch erschrak Frau Ermenegilda. Mitschreiend klammerte sie sich an mich. Ihr Ruf »aiuto!« mischte sich in das Wau Wau Wau ihres Mannes. Ich selbst schien mir schmerzhaft von Schreien, Bellen und Umklammertsein von der Verängstigten emporgerissen, nicht herabgezerrt? Wie kam das? Das Gebell klapperte, schrillte und zerrte an den Möbeln, der Spiegel klirrte: Wau! Äußerstes Wau, riß Möbel, Frau Braccioletti und mich schräg aus dem Gleichgewicht. Es klapperte: Erdbeben fühlte ich, Erdbeben, dachte ich, Erdbeben wußte und schrie ich zugleich. Das Gebell hatte aufgehört. Das Zimmer kam wieder wie in Pendelschwingungen zur Ruhe. Frau Braccioletti war ohnmächtig. Stille. Hilferufe. Kein Licht auf der Straße. Rufe: Erdbeben! Ein zweiter Stoß. Frau Braccioletti wie tod. Ich und die Möbel in einen Schwindel-Wirbel hineingerissen. Kein Gebell. Höchst verwunderlich. Man stürzte auf die Straße. Der Lärm von der Gasse wurde unheimlich. Immer angsterfüllter. Erdbeben! Erdbeben! Der Beller im Nebenzimmer hatte das Erdbeben in seinen Wau Wau-Rufen vorhergespürt, in meinem Gefühl mit hervorgerufen. Nun war der Werwolf stumm. Auf der Straße schrie man die ganze Nacht. - Theodor Däubler, Der Werwolf. In: Jenseits der Träume. Seltsame Geschichten vom Anfang des Jahrhunderts. Hg. Robert N. Bloch. Fankfurt am Main 1990 (st 1595, zuerst 1921)

Werwolf (3) Einige der Parnasser wanderten nach Arkadien aus und ließen dort die abscheulichen Bräuche Lykaons wieder aufleben: Bis zum heutigen Tage wird ein Knabe dem Zeus Lykaios geopfert. Seine Eingeweide werden mit anderen Eingeweiden in einer Suppe vermengt, die dann Schafhirten am Ufer eines Flusses vorgesetzt werden. Ein Hirte, der die Eingeweide des Knaben ißt — er wird durch das Los bestimmt —, heult plötzlich wie ein Wolf, hängt seine Kleider an eine Eiche, schwimmt über den Fluß und wird ein Werwolf. Acht Jahre verbringt er unter den Wölfen. Wenn er aber während dieser Zeit kein Menschenfleisch frißt, darf er zurückkehren, über den Strom schwimmen und seine Kleider wieder anziehen. Vor nicht allzu langer Zeit verbrachte ein Parnasser, genannt Damarchos, acht Jahre unter den Wölfen, kehrte dann zu den Menschen zurück und gewann, nach zwei Jahren harter Übung im Gymnasion, den Preis im olympischen Faustkampf. - (myth)

Werwolf  (4) Werwolf.

Im nahen Wald raschelt das Blattwerk in der Abenddämmerung.

Jemand ist da der beobachtet und darauf lauscht, was im Haus vorgeht.

Der Alte zittert aber schweigt. Er schaltet das Hof licht ein. Die Blätter sind still.  - Robert Pinget, Tintenkleckse. Monsieur Traums letztes Notizheft, Berlin 1997

Werwolf  (5)

Werwolf

 - Thomas Körner

Werwolf  (6) Wenn man den Ausdruck Werwolf betrachtet, so heißt es zwar landläufig, daß das Wort Wer Mann bedeuten soll, aber nach den anderen Sprachformen, die wir für Werwolf haben, nämlich z. B. Loup-Garou und War-kalak halte ich für sehr wahrscheinlich, daß Wer: Afra bedeutet, das heißt Sonne im Nachtstand. Ich glaube bestimmt, daß auf Grund der alten, auch in Europa früher vollkommen heimischen taoistischen Begriffe die Vorstellungsform wie folgt ging: Wenn ein Mensch nicht mehr er selbst ist, sondern außer sich, das heißt also, wenn er im Schlaf ohne Geist daliegt, wenn er in der Krankheit völlig verändert oder auch gestorben ist, so kann die Bewegung seines Geistes oder seiner Seele nicht einfach aufgehoben sein, sondern durch die Bewegtheit seines Geistes wird in der Zeit seiner Passivität ein anderes Wesen in Betrieb gesetzt.

Mit anderen Worten gesagt, denke ich, daß die Vorzeit nicht nur ein Gesetz von der Erhaltung der Energie annahm, sondern auch ein Gesetz von der Erhaltung der Bewegung. Daß eine solche Annahme möglich ist, kann niemand bezweifeln: Wie sich unsere eigene Weltkenntnis in der nächsten Zeit zu ihr verhalten wird, läßt sich noch nicht entscheiden. Unter einem solchen Gesetz nun ergibt es sich von selbst, daß die Seele eines Schlafenden z. B. in eine Maus, in ein Wiesel, in einen Vogel verwandelt,oder auch als Rauchwolke sich in der Welt bewegt, Erlebnisse hat und Funktionen durchführt, nach deren Ende sie wieder in den Menschen eingeht, worauf bald das Erwachen folgt und der Mensch selbst die Bewegungen fortsetzt. - Ernst Fuhrmann, Das Tier in der Religion. München 1922

Werwolf  (7, japanischer)  

- Toshio Saeki

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