Weihnachten, haitianisches Am 23. Dezember abends:

Als wir kommen, fädeln die Frauen Schlangenwirbel auf Nylonfäden.

Der Priester führt uns durch die Zimmer der Götter. Im ersten liegt eine Frau, um ihren Kopf zu wärmen, um sich geistlich zu stärken; im zweiten Zimmer eine Hochschwangere, um sich auf die Entbindung vorzubereiten.

Draussen in der Sonne die Kräuter, Rinden, Früchte, Wurzeln für die Weihnachtsbäder.

Ich zähle fünfzig verschiedene Sorten.

Wie gerne würde ich hingehen und von jedem eine Probe nehmen. Der Priester verspricht mir, alles aufzuschreiben.

Zwei grosse Mörser aus Holz werden in den Versammlungsraum gerollt und mit heiligen Kreidezeichen versehen.

Die Bauern der Umgegend kommen. Die Zeremonie beginnt. Regen plattert auf das Wellblechdach.

Die Gemeinde schreibt dies der magischen Kraft, des Priesters zu und der lächelt das bescheidene Lächeln des mächtigen Regenmachers.

Vier Männer stampfen mit riesigen Holzknüppeln die Krauter, Rinden, Früchte, Wurzeln in den zwei Mörsern zu Staub. Zwei und zwei stossen abwechselnd zu Gesängen und Trommeln die Knüppel herunter.

Die Männer brüllen dumpfe, vom Zwerchfell hochgetriebene Laute beim Stampfen.

Anfangs arbeiten sie in Hose und Hemd - später nur noch im Slip. Schweissüberrieselt.

Der Staub der magischen Gewächse hüllt die Trommeln, die Trancen, die Augen ein.

Gegen Mitternacht machen die Stampfer eine Pause und essen. Dann arbeiten sie wieder stundenlang. Gegen vier Uhr morgens bricht der Priester ab. Den Stampfern tun die Hände weh. Noch immer liegen Pflanzen bereit, die zerstampft werden müssen.

Auch nach nach der nächsten Zeremonie bleiben Krauter zurück. Ist die Zusammensetzung der heiligen Bäder so wahlfrei? Die Mörser werden ein letztes Mal geleert. Der Priester trägt das Pulver in die Zimmer der Götter. Er giesst Rum in den Mörser und zündet ihn an und gibt der Gemeinde die Mischung als Alkohol und Pflanzenstaub zu trinken.

Beim Rückweg durch die Nacht hören wir von überallher die afrikanischen Gesänge der Bauern und den dumpfen Schrei der Stampfer.

Am 24. Dezember abends:

Der Priester bricht einem weissen Hahn beide Flügel, schwenkt das Tier in alle vier Himmelsrichtungen, hält es an den Mittelpfeiler, schlachtet es.

Hunderte von Bauern sind mit ihrer Familie gekommen. Sie bringen alle eine Kaiebasse mit, eine Kerze, ein Huhn. Der Priester muss Hunderte von Flügeln brechen, Hunderte von Hühnern in alle vier Himmelsrichtungen schwenken, an den Mittelpfeiler halten, schlachten und den Kindern die Hand auf den Kopf legen. Reim Schlachten rinnt jedesmal etwas Blut in einen Topf. Das geschlachtete Huhn wird der Familie zurückgegeben. Die Bauern zahlen dem Priester eine kleine Summe und gehen nach draussen. Sie machen ein Feuer und bereiten das Huhn zum Fest.

Der Priester tanzt mit einer Holzbalje auf dem Kopf. Die Gehilfen tanzen mit Kübeln voller Quellwasser auf dem Kopf um den Mittelpfeiler.

Vierzehn Mädchen ziehen mit Kerzen nach draussen zu dem Ruhbaum des Schutzpatrons und holen Bündel frischer Kräuter. Die Kräuter und der gemörserte Staub werden in die Holzbalje getan. Die Gehilfen giessen das geheiligte Quellwasser darüber. Die Gehilfen verhüllen die Balje mit einem blauen Tuch.

Mehrere Frauen schlüpfen unter das blaue Tuch.

Sie entkleiden sich dort und beginnen das Bad in der Balje.

Sie tauchen auch den Kopf unter.

Immer zwei und zwei schlüpfen unter das blaue Tuch.

Die Badezeremonie soll bis in den nächsten Vormittag hinein dauern.    - (xan)

Haitianer

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