Weiche

eiche Von draußen drang der Lärm der entfesselten Räder herein; der Zug hatte seine Geschwindigkeit offenbar verdoppelt und raste in wilder Furie dahin. Der Streckenwärter sagte: »Der Augenblick ist gekommen. Jeder nehme eine sitzende Stellung ein oder lege sich hin. Ja ... gut«, schloß er und ließ einen wachen Blick über die Reisenden gleiten, die wie hypnotisiert seinen Empfehlungen folgten. »Jetzt kann ich beginnen. Achtung! In einer Minute biegen wir ab...«

Mit der Rechten die Zeichnung in Augenhöhe haltend, versenkte er sich noch einmal in sie mit der fanatischen Kraft seiner jäh geweiteten Pupillen... Plötzlich wurde er unbeweglich wie ein Stück Holz, ließ die Pappe den Händen entgleiten und erstarrte mitten im Abteil zu Eis; die Augen glitten so weit hinauf, daß nur noch das Weiße zu sehen war, das Gesicht nahm einen steinernen Ausdruck an. Unversehens begann er, mit automatenhaft hölzernem Schritt auf das Fenster zuzugehen ... Er stützte sich auf den unteren Rahmen wie auf einen Balken, stieß sich mit den Füßen vom Boden ab und lehnte den Körper hinaus ins Freie; seine steif aus dem Fenster gestreckte Gestalt zitterte gleich einer Magnetnadel ein paarmal auf der Achse des Rahmens und stellte sich schräg zur Wagenwand ein.

Da ertönte ein höllischer Krach wie von zerschmetterten Wagen, ein wütendes Bersten brechenden Eisens, ein Getöse von Stangen und Puffern, ein Rasseln entfesselter Räder und Ketten. Im Kreischen der anscheinend zu Spänen zerspellten Bänke, der einfallenden Türen, im Dröhnen der stürzenden Decken, Fußböden und Wände, im Geklirr der zerreißenden Röhren, Leitungen und Behälter stöhnte die Lokomotive auf mit verzweifeltem Pfeifen ...

Plötzlich verstummte alles, versank in die Erde, verwehte, und die Ohren füllte ein großes, machtvolles, grenzenloses Rauschen ... - Stefan Grabinski, Das Abstellgleis. Frankfurt am Main 1971 (Insel, Bibliothek des Hauses Usher, zuerst 1953)