eiberfamilie   DER FRIEDE-FÜRST: am Heiligen Abend fährt Irma zu ihrer Familie. Jäcki geht über Sankt Pauli. Ein paar Italiener reden ihn an:

- Schweinemaria, sagt ein Italiener.

In Lokstedt warten Jäckis Mutter, Jäckis Tante Elisabeth, Jäckis Großmutter.

Es rascheln und klappern die Weihnachtsgeschenke. Jäckis Oma klingelt mit einer dünnen, glasgeblasenen Weihnachtsbaumglocke. Ein verrosteter Draht mit einer Glasperle - der Schwengel. Jäcki erwartet in der Ecke des Wohnzimmers den großen dürren schiefen Weihnachtsbaum, der zu Jäckis Opas Zeiten voll hing mit ver-schiedenförmigen Kugeln, überschneiten Glocken, vielen roten Zwergen aus Wolle, gedrechselten Winterhilfswerksfiguren und an der Spitze den buntgedruckten, gestanzten Engel.

Den großen dürren schiefen Weihnachtsbaum erwartet Jäcki nicht so glänzend und glitzernd wie zu Jäckis Opas Zeiten. Dünner behängt -viele Kugeln sind kaputtgegangen und die Winterhilfswerksfiguren wurden beim Einmarsch der Amerikaner weggeschmissen und Jäckis Oma kann auch nicht mehr so lange auf der kleinen Trittleiter stehen, auf dem umgedrehten Küchenstuhl, der noch aus ihrer Aussteuer stammt, sie kann ihre Arme mit neunundachtzig nicht mehr so lange hochhalten und die Töchter läßt sie nicht ran. Das elektrische Licht in Jäckis Großmutters Wohnstube brennt immer weiter. Kein Zeitungspapier auf der Erde, kein Tannenbaum in der Ecke über dem Nähtisch.

Die Schokoladenkringel liegen im elektrischen Licht. Im elektrischen Licht Jäckis Mutter und Tante Eise mit den Paketen. An der Pappwand, beim Durchgang zum ehemaligen Herrenzimmer, in dem die Großmutter jede Nacht alleine schläft, auf dem Nähtisch steht ein schuhkartonhoher Kunsttannenbaum, mit roten, gelben, weißen Glühbirnen.

Jäcki soll sich von seiner Oma noch das Du weißt schon vom Juli rechnen. Von der Summe, die Tante Eise sich von Jäcki geliehen hat, die sie ihm nicht zurückgeben braucht, will sie sich eine weiße Bluse kaufen.

- Die Bluse rechne ich mir dann von dir.

Jäckis Mutter hat sich Handschuhe gekauft, die sie sich von ihrer Schwester rechnet. Tante Else hat sich eine Tasche gekauft, die sie sich von Jäckis Mutter rechnet.

Zum Schluß meint Jäckis Mutter, Tante Else ist doch sauer, weil sie nicht noch genug dazu bekommen hat.

Jäckis Mutter mag das Buch nicht leiden, das sie von Jäcki kriegt und fragt ihn, ob er es nicht lieber wieder zurückgeschenkt bekommen will.

- Du bekommst es schon im Voraus von mir zum Geburtstag.

- Übrigens brauch ich zum Geburtstag ein Paar Schuhe, sagt Jäckis Tante Else.+

 

- Ich brauch einen Hut, sagt Jäckis Mutter.

- Dann kauf ich mir den Hut und du kaufst dir die Schuhe. Dann kann sich jeder aussuchen, was ihm am besten paßt, sagt Tante Else.

- Nun wollen wir alle etwas singen, sagt Jäckis Oma. - (fich)

Weiberfamilie (2)  Aller Haß der Schwiegermütter, er ist nichts weiter als Eifersucht, auch meine Mutter wollte ständiges Liebesobjekt ihrer Tochter sein, das heißt meines, allein sie sollte ich lieben, allein sie sollte das Objekt meiner Liebe und meines Vertrauens sein, eine ganze Familie wollte sie mir ersetzen, alles, ich kenne solche Weiberhaushalte: Mutter, Tochter und Kind, eine vollwertige Familie! Ein einziger Graus. Die Tochter verdient wie der Mann das Geld, ernährt sie, die Mutter sitzt wie die Ehefrau daheim und macht der Tochter Vorwürfe, daß sie nicht rechtzeitig nach Hause kommt, dem Kind nicht genug Beachtung schenkt, das Geld nicht zusammenhält usw., aber gleichzeitig ist die Mutter auf alle Freundinnen der Tochter eifersüchtig, von den Männern ganz zu schweigen, das sind ihre ärgsten Rivalen, und das Ergebnis von alledem ist ein einziges Chaos, aber was hilft's? Bevor das Entsetzliche mit ihr passierte, hat meine Mutter exakt auf diese Weise meinen armen Mann aus dem Haus geekelt, und wenn sie gutgelaunt war, sagte sie immer; Wer ist das Familienoberhaupt? (Hinterlistig:) Nun sagt schon, wer ist das Familienoberhaupt? {Und hatte natürlich sich selbst im Sinn.)    - Ljudmila Petruschewskaja, Meine Zeit ist die Nacht. Aufzeichnungen auf der Tischkante.  Berlin 1991 (zuerst 1990)

Weiberfamilie (3)  

 

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