ehrpflichtige   Firmlinger war Bauarbeiter und schwätzte vor dem Einschlafen lang darüber, wie schwer halt alles sei, so ein Kampf. Aber wenn das Lamperl auf dem Nachtkastl so brenne und das Mädel im Bett liege, dann sei ihr Haar so lind; also das sei am schönsten. Kretschmaier hatte reichere Erfahrungen als Firmlinger und erzählte von einer, bei der man umsonst habe fahren können, und wie sie dann Abschied gefeiert hätten, oh! Neben der Tür schlief Unteroffizier Jüngel, der Kellner gewesen war und von sich sagte: »Der meine hat zu viele g'habt und will nicht mehr so recht.« Unter Eugen hatte sich Hartl eingenistet, ein Schlafwagenkellner, der in der Mittagspause bei einer Tasse Kaffee und einer Zigarette so ›grübig‹ auf seinem Bett hockte, daß Eugen ihn beneidete; denn ›grübig‹ war's ihm hier eigentlich nie zumut, obwohl er jetzt oft eine Tafel Schokolade aß und eine Flasche Limonade dazu trank. - »Sonderbare Gusto kriegt man hier herinnen, wos ?« sagte Loder, und alle bewunderten Katzer, weil der immer so adrett und sauber war. Seine Uniform schlappte nie, aber vielleicht strebte der den Offizier an. Katzer mußte die kaufmännischen Bücher des Braunen Hauses (also der obersten Parteikanzlei) führen und erzählte, im Großen Kontrollbuch müsse alles wie gestochen geschrieben sein und niemals dürfe radiert werden. Verheiratet war Mayer Johann (sonst hatte das bis jetzt keiner geschafft) und besaß zwei Kinder; einer, der erschöpft ausschaute, fast als wäre er schon abgewelkt. Und Loder sagte vor dem Einschlafen am Sonntagabend, er glaube, daß er heute ein Kind gemacht habe. Und es wurde gelacht, und dies und jenes kam heraus (wie man es machen müsse, damit's nicht hinhaue wie beim Loder). Mayer Josef aber sagte: »Das Schönste auf der Welt, dös is mei Geld.«  - Hermann Lenz, Neue Zeit. Frankfurt am Main 1979 (st 505, zuerst 1975)

Wehrpflichtiger  (2)  Ich bin eingezogen worden, so am 4. ungefähr (augenblicklich sind ja meine Gedanken klar) - doch schon am 5. wurde ich hier in dieses Höllenlazarett eingeliefert, wo ich noch liege. Dunkel ist um mich alles, und beinschwarz flattern die Stunden fort. Lieber Schm., ich bin bei Gott nicht mehr fröhlich, mein Menschenhaß ist ins Ungeheure gewachsen, trotzdem stimmt mich meine Lage nicht elegisch noch sentimental. Mir scheint es, als werde ich langsam dem Trübsinnswahn entgegengehen. Ich muß hier die Sünden büßen, die mein zweiter unterbewußter Mensch begeht — ich durchschreite die blanke Hölle. Weiß, oh nein: schädelweiß steht der gezackte Himmel in den Fenstern - aber Sterne sah ich nie — nur lauter Sehnsucht nach heißem Küstenland liegt in mir, und über den Betten hängen schwarze Vögel, die Tafeln der kranken Tiere -längst wich Menschliches aus ihren Gesichtern, den gelben bösen, oder roten betuschten mit giftigen Seuchen.

Oft klappert der Tod melodisch schlotternd zwischen den Saubetten. Heiliger Vater! Ich blätterte in der Welt von 1890, in Über Land und Meer - so ist es - auch spielt fernher jemand mit böser Brille Klavier, das gräbt in meine Nerven Gänge und Unterstände — daraus, Retorte des Gehirns, fließt viel Gift und Haß - noch bin ich Kämpfer! Obwohl sie mit Tüchern, roten, winken immerzu.  - George Grosz an Otto Schmalhausen (14. Januar 1917), nach: G.G., Briefe 1913-1959. Hg. Herbert Knust. Reinbek bei Hamburg 1979

Mann Soldat

 

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