- Paul Auster, Die Musik
des Zufalls. Reinbek bei Hamburg 1996 (rororo 13373, zuerst 1990)
Wegwerfen (2) Das Kind, das höchstens drei Jahre
alt war, feuerte das ungeliebte Püppchen zum dritten Mal aus dem Wagen. Die
Mutter war bestürzt (hatte sie den Hampelmann selber gebastelt?), aber nicht
lange; sie blieb eine Weile stehen und betrachtete abwechselnd das Kind und
das im Gras liegende Püppchen. Dann traf auch sie, wie das Kind, eine kühne
Entscheidung. Sie ließ das verschmähte Spielzeug im Gras zurück und setzte ihren
Spaziergang fort. Das Kind schien zufrieden darüber, dass es sich endlich durchgesetzt
hatte. Ich näherte mich dem Püppchen. Das Kind hatte recht getan, sich von diesem
unattraktiven Ding zu trennen. Ich bewunderte das Kind und geriet darüber selbst
in eine Wegwerf-Stimmung. - Wilhelm Genazino,
NZZ
vom 19. Mai 2007
Wegwerfen (3) Ob das menschliche Tun nun von der
Notwendigkeit oder vom Zufall
bestimmt wird, es widerspricht allemal dem Anspruch, das Geschehen dem eigenen
Willen unterwerfen zu können. Darum ist Landolfis Beziehung zur Literatur wie
zum Leben stets eine zweifache: zum einen setzt er sich bei dem, was er tut,
ganz ein, zum andern wirft er aber gleichzeitig weg. Daraus erklärt sich auch
der innere Widerspruch zwischen seiner Hingabe an die formale Präzision und
der Gleichgültigkeit, mit der er das einmal vollbrachte Werk seinem Schicksal
überließ. Wenn er zunächst seinen ganzen Ehrgeiz und seine ganze Freude in das
Schreiben investiert hatte, kümmerte er sich gar nicht mehr um das Buch und
hatte auch keine Lust mehr, die Fahnen zu korrigieren. So erzählte er seinen
Freunden, daß er in einem eben herausgekommenen Buch einen Fehler entdeckt habe,
der den ganzen Dialog unverständlich mache («Francesismo!», Französismus war
zu «Franceschino!», zu Fränzchen geworden; in A caso, «Aufs Geratewohl»);
über Dinge, die mich wahnsinnig gemacht hätten, lachte er wie über etwas, das
ihn gar nichts anging. - Italo Calvino, Vorwort zu (
land
)
Wegwerfen (4) Meine Zeit
eilt schnell davon. Darum nimm du mein gutes Schwert Excalibur und geh damit
zum Strand. Ich gebiete dir, wirf mein Schwert ins Wasser und komm zurück und
berichte mir, was du gesehen hast. Hoher Herr, sagte Bedivere, ich will Euerm
Gebot folgen und Euch schnell Nachricht bringen. Unterwegs betrachtete er das
edle Schwert, dessen Knauf und Griff ganz mit Edelsteinen besetzt war, und er
sagte sich: Wenn ich dieses kostbare Schwert ins Wasser werfe, entsteht daraus
nichts Gutes, sondern nur Schaden und Verlust. So verbarg er Excalibur unter
einem Baum, ging rasch zum König zurück und sagte, er hätte das Schwert ins
Meer geworfen. Was hast du gesehen? fragte der König. Herr, antwortete Sir Bedivere,
ich habe nichts gesehen als Wellen und Wind. Du sprichst nicht die Wahrheit,
erwiderte der König, geh also wieder hin und führe mein Gebot aus. Sosehr du
mir lieb und teuer bist, schone das Schwert nicht, sondern wirf es ins Wasser.
Darauf kehrte Sir Bedivere um und nahm das Schwert in die Hände, und es schien
ihm Sünde und Schmach, dieses edle Schwert wegzuwerfen. So verbarg er es abermals,
kehrte zurück und berichtete dem König, er wäre am Wasser gewesen und hätte
sein Gebot erfüllt. Und was hast du gesehen? fragte der König. Herr, antwortete
Sir Bedivere, nichts als Wasserwogen und Wellenrollen. Ah, du treuloser Verräter,
sagte König Artus, nun hast du mich zweimal betrogen. Wer hätte das von dir
gedacht, der du mir so lieb und teuer warst? Man nennt dich einen edlen Ritter,
und du betrügst mich wegen eines kostbaren Schwertes. Geh jetzt noch einmal,
doch beeile dich, denn dein langes Zaudern bringt mein Leben in große Gefahr.
Mir ist schon kalt. Wenn du jetzt nicht tust, was ich dir befehle, werde ich
dich mit meinen eigenen Händen erschlagen, wenn ich dich je wiedersehen sollte,
denn wegen meines prächtigen Schwertes wolltest du mich tot sehen. Da ging Sir
Bedivere, nahm das Schwert rasch aus dem Versteck und trat ans Wasser. Dort
band er den Gurt um den Griff und warf das Schwert, so weit er nur konnte ins
Meer. Sogleich reckte sich eine Hand aus dem Wasser, griff danach und schüttelte
und schwang es dreimal. Dann verschwand die Hand mit dem Schwert im Wasser.
- (artus)
|
||
|
||