egwerfen    Er regelte seine Angelegenheiten, rief den Vermieter an und sagte ihm, er könne sich einen neuen Mieter suchen, schenkte seine Möbel der Heilsarmee, meldete Gas, Strom und Telefon ab. All das geschah mit einer Unbekümmertheit und Brutalität, die ihm tiefe Befriedigung verschaffte, doch nichts davon reichte an das Vergnügen heran, einfach Dinge wegzuwerfen. Am ersten Abend legte er stundenlang Thereses Sachen zusammen, stopfte sie in Müllsäcke und entledigte sich ihrer schließlich in einer systematischen Säuberungsaktion, einem Massenbegräbnis sämtlicher Dinge, die auch nur die leiseste Spur ihrer Gegenwart trugen. Er stürzte sich auf ihren Schrank und riß ihre Mäntel, Pullover und Kleider heraus; er zog Unterwäsche, Strümpfe und Schmuck aus ihren Schubladen; er entfernte alle ihre Bilder aus dem Fotoalbum; er warf ihr Schminkzeug und ihre Modemagazine weg; er beseitigte ihre Bücher, ihre Schallplatten, ihren Wecker, ihre Badeanzüge, ihre Briefe. Damit war gewissermaßen das Eis gebrochen, und als er sich am Nachmittag darauf mit seinen eigenen Habseligkeiten zu befassen begann, ging er mit der gleichen brutalen Gründlichkeit vor und behandelte seine Vergangenheit wie einen Haufen fortzuschaffenden Müll. Der komplette Inhalt der Küche ging an ein Obdachlosenheim in South Boston. Seine Bücher schenkte er der Studentin über ihm; seinen Baseball-Handschuh gab er dem kleinen Jungen von gegenüber; seine Plattensammlung verkaufte er an einen Secondhandladen in Cambridge. Diese Transaktionen hatten gewiß etwas Schmerzliches, doch Nashe begann diesen Schmerz beinahe zu begrüßen, sich von ihm veredelt zu fühlen, als würde es ihm, je weiter er von seinem alten Ich abrückte, in der Zukunft desto besser gehen. - Paul Auster, Die Musik des Zufalls. Reinbek bei Hamburg 1996 (rororo 13373, zuerst 1990)

Wegwerfen  (2) Das Kind, das höchstens drei Jahre alt war, feuerte das ungeliebte Püppchen zum dritten Mal aus dem Wagen. Die Mutter war bestürzt (hatte sie den Hampelmann selber gebastelt?), aber nicht lange; sie blieb eine Weile stehen und betrachtete abwechselnd das Kind und das im Gras liegende Püppchen. Dann traf auch sie, wie das Kind, eine kühne Entscheidung. Sie ließ das verschmähte Spielzeug im Gras zurück und setzte ihren Spaziergang fort. Das Kind schien zufrieden darüber, dass es sich endlich durchgesetzt hatte. Ich näherte mich dem Püppchen. Das Kind hatte recht getan, sich von diesem unattraktiven Ding zu trennen. Ich bewunderte das Kind und geriet darüber selbst in eine Wegwerf-Stimmung. - Wilhelm Genazino, NZZ vom 19. Mai 2007

Wegwerfen  (3) Ob das menschliche Tun nun von der Notwendigkeit oder vom Zufall bestimmt wird, es widerspricht allemal dem Anspruch, das Geschehen dem eigenen Willen unterwerfen zu können. Darum ist Landolfis Beziehung zur Literatur wie zum Leben stets eine zweifache: zum einen setzt er sich bei dem, was er tut, ganz ein, zum andern wirft er aber gleichzeitig weg. Daraus erklärt sich auch der innere Widerspruch zwischen seiner Hingabe an die formale Präzision und der Gleichgültigkeit, mit der er das einmal vollbrachte Werk seinem Schicksal überließ. Wenn er zunächst seinen ganzen Ehrgeiz und seine ganze Freude in das Schreiben investiert hatte, kümmerte er sich gar nicht mehr um das Buch und hatte auch keine Lust mehr, die Fahnen zu korrigieren. So erzählte er seinen Freunden, daß er in einem eben herausgekommenen Buch einen Fehler entdeckt habe, der den ganzen Dialog unverständlich mache («Francesismo!», Französismus war zu «Franceschino!», zu Fränzchen geworden; in A caso, «Aufs Geratewohl»); über Dinge, die mich wahnsinnig gemacht hätten, lachte er wie über etwas, das ihn gar nichts anging. - Italo Calvino, Vorwort zu (land)

Wegwerfen  (4) Meine Zeit eilt schnell davon. Darum nimm du mein gutes Schwert Excalibur und geh damit zum Strand. Ich gebiete dir, wirf mein Schwert ins Wasser und komm zurück und berichte mir, was du gesehen hast. Hoher Herr, sagte Bedivere, ich will Euerm Gebot folgen und Euch schnell Nachricht bringen. Unterwegs betrachtete er das edle Schwert, dessen Knauf und Griff ganz mit Edelsteinen besetzt war, und er sagte sich: Wenn ich dieses kostbare Schwert ins Wasser werfe, entsteht daraus nichts Gutes, sondern nur Schaden und Verlust. So verbarg er Excalibur unter einem Baum, ging rasch zum König zurück und sagte, er hätte das Schwert ins Meer geworfen. Was hast du gesehen? fragte der König. Herr, antwortete Sir Bedivere, ich habe nichts gesehen als Wellen und Wind. Du sprichst nicht die Wahrheit, erwiderte der König, geh also wieder hin und führe mein Gebot aus. Sosehr du mir lieb und teuer bist, schone das Schwert nicht, sondern wirf es ins Wasser. Darauf kehrte Sir Bedivere um und nahm das Schwert in die Hände, und es schien ihm Sünde und Schmach, dieses edle Schwert wegzuwerfen. So verbarg er es abermals, kehrte zurück und berichtete dem König, er wäre am Wasser gewesen und hätte sein Gebot erfüllt. Und was hast du gesehen? fragte der König. Herr, antwortete Sir Bedivere, nichts als Wasserwogen und Wellenrollen. Ah, du treuloser Verräter, sagte König Artus, nun hast du mich zweimal betrogen. Wer hätte das von dir gedacht, der du mir so lieb und teuer warst? Man nennt dich einen edlen Ritter, und du betrügst mich wegen eines kostbaren Schwertes. Geh jetzt noch einmal, doch beeile dich, denn dein langes Zaudern bringt mein Leben in große Gefahr. Mir ist schon kalt. Wenn du jetzt nicht tust, was ich dir befehle, werde ich dich mit meinen eigenen Händen erschlagen, wenn ich dich je wiedersehen sollte, denn wegen meines prächtigen Schwertes wolltest du mich tot sehen. Da ging Sir Bedivere, nahm das Schwert rasch aus dem Versteck und trat ans Wasser. Dort band er den Gurt um den Griff und warf das Schwert, so weit er nur konnte ins Meer. Sogleich reckte sich eine Hand aus dem Wasser, griff danach und schüttelte und schwang es dreimal. Dann verschwand die Hand mit dem Schwert im Wasser.  - (artus)

 

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