Wartestellung Der junge Mann näherte sich dem Bett, und vorgebeugt, wobei er aber stehenblieb, zog er ihr das Höschen aus, und endlich war sie völlig nackt. Der Augenblick ist also gekommen, die Beschreibung Hortenses abzuschließen. Jenes Forträt der Heldin, das wir bereits im zweiten Kapitel angekündigt haben.

Wir entschuldigen uns dafür, daß dieses Porträt nicht unter den idealen Bedingungen präsentiert wird, in denen der Leser mit Hortense allein wäre und sie in aller Ruhe betrachten könnte. Der junge Mann ist da, mit höchst eindeutigen Absichten, die er verfolgt und die bedingt sind durch seine unkeusche Begierde und den Ablauf der Handlung; der Leser wird nicht lange verweilen können, denn die Auflösung ist nahe. Andererseits entschuldigen wir uns dafür, daß wir den Leser in die Lage eines Vo-yeurs versetzen, aber daran läßt sich nichts ändern, und außerdem steht fest, wenn es nicht der betreffende junge Mann wäre, dann wäre es sicherlich ein anderer, vielleicht nicht einmal jung, es wäre vielleicht der Autor allein, und auf jeden Fall wären wir gerade im Begriff, gemeinsam diese schone junge Frau zu betrachten, die nackt auf ihrem Bett liegt, das rechte Bein leicht angezogen, die Schenkel leicht gespreizt und die Brüste so erregt, wie man es gar nicht beschreiben kann (bevor wir es vergessen, da sich die Ereignisse überstürzen werden, möchten wir noch darauf hinweisen, daß Hortense diese Wartestellung weder aus Koketterie noch aus Provokation eingenommen hatte, sondern in der Hoffnung, zur Belohnung für den Anblick, der sich durch dieses leichte Spreizen ihrer Schenkel und infolge ihres hochgestellten rechten Beins bot, die Aufmerksamkeit von ihren Knien abzulenken, deren sie sich in übertriebener Weise schämte). Auf jeden Fall ist zu befürchten, daß der Leser nicht umhinkommen wird, zum Voyeur zu werden, um so mehr, als dieses Buch von einer größeren Anzahl gekauft und gelesen werden wird; verurteilt man also den Voyeurismus moralisch, so folgt daraus, daß es schwierig wird, sich aus der Affäre zu ziehen: Entweder wird dem Leser die Betrachtung der nackten Hortense vorenthalten, was bedauerlich wäre, oder aber es wird darauf geachtet, daß das Buch nur sehr wenige Leser findet, um die Schäden zu begrenzen. Dieses ethische Paradox ist von Professor Orsells meisterhaft untersucht worden.   - Jacques Roubaud, Die schöne Hortense. München 1992 (zuerst 1985)

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