ahnsinns
Stimme
Gäbe es denn
einen anderen Ausweg als die polyglotte Anmut des Wahnsinns? Deshalb hör weiterhin
zu, auch wenn man behaupten kann, daß von diesem Augenblick an dein Zuhören
keine wenn auch noch so abstrakte Bedingung mehr für die, sagen wir, historische
Existenz der Stimmen darstellt, die diesen Ort bewohnen. Es ist natürlich klar,
daß die Stimme des Wahnsinns keinen richtigen Gesprächspartner hat, ja daß ihre
Rede - wenn man es überhaupt so bezeichnen kann - gerade dem Fehlen eines Gegenübers
entspringt. Du hörst jetzt nicht mehr zu, sondern registrierst nur die Unordnung,
die in dieser Rede herrscht; aber daß es eine Rede sei, läßt sich in Wirklichkeit
allein dem Wechseln der af-fektiv musikalischen Modi der Stimme entnehmen. Du
wirst bemerken, wie die Frage sich allmählich zu scharfen und wütenden Dissonanzen
emporreckt, denn der Wahnsinn liegt nicht so sehr im Fragen selbst als darin,
die Frage an einen verschwiegenen Gesprächspartner zu richten, der jene Art
der Verschwiegenheit übt, die ein Vorrecht des Nichts zu sein scheint; aber
in Wahheit - wenn mir gestattet ist, mich in einer lästerlichen aber löblichen
Glosse zu verbreiten - kann die Verschwiegenheit, auch wenn sie absolut ist,
ein Beweis für das Nichts gar nicht sein, denn die Verschwiegenheit des Nichts
hat eine ihr eigene sanfte Beharrlichkeit, die man unmöglich als irritierend
betrachten kann, und das ist für den Wahnsinn verständlich; und es ist gerade
diese leichte aber offenkundige Dyskrasie zwischen der Verschwiegenheit des
Nichts und der Verschwiegenheit dessen, was das Nichts sein könnte aber keineswegs
sein muß, die die unerforschliche Unordnung des Wahnsinns auslöst.
- Giorgio Manganelli, Geräusche oder
Stimmen. Berlin 1989
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