Wahl, gute  Eines Tages hörte der Junge aus der Richtung des fallenden Wassers ein großes Getöse. Rasch ergriff er Bogen und Pfeile und schlich sich behutsam näher, um vielleicht seinen ersten Bären zu erlegen. Da sah er im sprühenden Wasser eine Gestalt, die etwas um den Hals trug. Bei näherem Zusehen stellte er fest, daß der Mann dort mit einer Schlange kämpfte, die sich ihm um den Hals gelegt hatte. Die Schlange hielt mit aller Macht fest, so sehr der andere auch zog und zerrte.

»Hilf mir, diesen Burschen umzubringen!« rief die Schlange dem Jungen zu. »Du wirst es nicht bereuen, denn ich kenne viele Geheimnisse, die ich dir anvertrauen will.« Da nahm der Junge seinen Bogen zur Hand und zielte auf die Gestalt dort am Wasserfall.

»Schieß nicht!« rief der Mann, »sondern töte die Schlange an meinem Halse, und ich werde dich nie vergessen. Siehst du den weißen Kehlfleck? Darunter liegt ihr Herz. Wenn du das triffst, muß sie sterben.«

Der Junge zielte und traf die Schlange genau auf den weißen Kehlfleck. Nach ein paar Zuckungen konnte der Mann sie von seinem Halse lösen. Verächtlich warf er darauf die tote Schlange in den Bach. Einen Augenblick später war die Gestalt verschwunden! Doch aus dem Rauschen des fallenden Wassers vermeinte der Junge noch einmal die Stimme des Mannes zu vernehmen: »Meine Kräfte sind fortan deine Kräfte. Denn ich bin du, bis du nicht mehr bist.«

Seit diesem Erlebnis besaß der Junge übernatürliche Kräfte.  - Nordamerikanische Indianermärchen. Hg. Gustav A. Konitzky. Düsseldorf, Köln 1982 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

Wahl, gute (2)  Ein chinesischer Bauer wird vor das Tribunal eines sadistischen Bonzen geschleppt. Sein Leben, so eröffnet ihm der Bonze, sei verwirkt; aber er könne immerhin die Todesart selbst bestimmen. «Du kannst noch irgendeinen Satz äußern, irgendeine Aussage machen. Ist dein Satz falsch, so wirst du erwürgt. Ist er richtig», und hier grinst der Bonze teuflisch, «dann wirst du gehängt.» Der Bauer, ärmer, aber intelligenter als der Bonze, sah diesen beinahe bemitleidend an, bevor er die Aussage machte: «Ich sage, daß ich erwürgt werde.»

Ließe der Bonze ihn nun erwürgen, dann würde der Satz wahr (verifiziert). Bei einer wahren Aussage aber müßte der Bauer gehängt werden. Würde der Bonze ihn jedoch hängen lassen, dann wäre ja der Satz des Bauern falsch (er würde falsifiziert). Ein falscher Satz indes führte wiederum zur ersten Konsequenz. Womit der Bonze sich in seinem eigenen Intrigennetz gefangen sah.  - Willy Hochkeppel, Denken als Spiel. München 1974 (dtv 965) - Der Bonze war aber eben ein Sadist, er ließ den Bauern dann auf eine andere traditionelle chinesische Art hinrichten.  (cel)

 

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