ade  Harry und Vinnie lachten. Vinnie ging hin und hob das Messer auf. Georgette wich weiter zurück und beschimpfte Harry mit kreischender Stimme. Du schwuler Neandertaler! Du Widerling! Du — Vinnie warf das Messer nach ihr und brüllte Achtung! Georgette sprang, wirbelte herum, um dem Messer zu entgehen und schrie sie sollten aufhören (ohne Tabletten hätte sie jetzt einen hysterischen Anfall bekommen), doch sie lachten und ihre Dreistigkeit wuchs mit Georgettes Furcht: sie warfen das Messer jedesmal heftiger und näher an ihre Füße heran; das Messer hüpfte im Zickzack davon, wurde aufgehoben und erneut nach den tanzenden Füßen geschleudert (die Szene erinnerte an einen zweitklassigen Western); Gelächter, Sprünge und Herumwirbeln setzten ruckartig aus, als die Messerklinge in ihrer Wade stecken blieb (wenn es Holz und nicht Fleisch gewesen wäre, hätte das Messer sir-rend gezittert). Georgette sah ungläubig auf den kleinen, noch sichtbaren Rest der Klinge und den Griff des Messers, das in ihrem Bein stak, zu überrascht, um das fließende Blut zu spüren oder an die Wunde und die Gefahr zu denken; sie starrte bloß auf das Messer und bemühte sich zu begreifen, was eigentlich geschehen war. Vinnie und Harry standen da und glotzten. Harry murmelte irgendwas wie das hat gesessen und Vinnie lächelte. Georgette sah auf, sah daß Vinnie sie anlächelte, sah wieder auf das Messer und schrie, ihre neuen Jeans seien ruiniert. Die anderen, die sich das alles vom Lokal aus mit angesehen hatten, lachten und Harry fragte sie, was sie da für einen Auswuchs an ihrem Bein hätte. Georgette nannte ihn schlicht Arschloch, hüpfte auf die Stufen zu, die zum Seiteneingang der Cafeteria führten, setzte sich langsam hin und hielt vorsichtig das Bein steif und ausgestreckt von sich. Harry fragte sie, ob er ihr das Messer aus der Wade ziehen solle und sie brüllte ihn an, er solle sich zum Teufel scheren. Sie beugte sich hinunter, legte die Fingerspitzen leicht um den Messergriff, schloß die Augen und zog  nach einigen zögernden Versuchen, das Messer langsam aus der Wade. Sie seufzte auf, ließ das Messer fallen, lehnte sich gegen den Türrahmen, bog das Bein ein wenig ab, beugte sich hinunter und zog ihren Schuh aus. Er war voll Blut. Die Wirkung der Tabletten hatte fast gänzlich nachgelassen und es überlief sie kalt, als sie den Schuh ausleerte. Das Blut ergoß sich aufspritzend auf den Bürgersteig und die kleine Lache floß in dünnen Rinnsalen davon, versickerte in den Sprüngen des Asphalts und war verschwunden. - Hubert Selby, Letzte Ausfahrt Brooklyn. Reinbek bei Hamburg. 1989 (zuerst 1957

Wade (2)
 

Unterschenkel

 

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