ackeln

   «I'm gwine down to de river.
Set down on de ground.
If de blues overtake me,
l'll jump overboard and drown ...»

Big Joe Turner sang eine Rock'n'Roll-Version von Dink's Blues. Der laute, packende Rhythmus kam so heiß aus der Musikbox, daß Knochen schmelzen konnten. Wie von Nadeln gestochen sprang eine Frau von ihrem Platz in einer Nische auf. Sie war eine hagere schwarze Person in einem rosa Jerseykleid und roten Seidenstrümpfen. Sie zog ihren Rock hoch und begann mit einem Shake, als ob sie die Nadeln einzeln abschütteln wollte.

Ihre Begeisterung war ansteckend. Andere Frauen sprangen von ihren hohen Hockern herunter und zuckten und wackelten mit. Die Gäste lachten und jubelten Beifall und fingen auch an zu wackeln. In dem Gang zwischen der Bartheke und den Nischen stürmte es von wackelnden Körpern.

Big Smiley, der riesige Barmann, setzte schlurfend mit einem plattfüßigen Shuffle hinter der Bar ein. Die farbigen Gäste in Harlems Dew Drop Inn, Ecke 129th Street und Lenox Avenue, amüsierten sich an diesem frischen Oktoberabend einfach königlich.

Ein Weißer, der etwa in der Mitte vor der Bartheke stand, sah dem Treiben zynisch amüsiert zu. Er war der einzige Weiße in der Bar.

Er war groß, über einen Meter achtzig, und trug zu einem grauen Flanellanzug ein weißes Hemd und eine blutrote Krawatte. Sein großflächiges, talgiges Gesicht zeigte die Spuren eines ausschweifenden Lebenswandels. Das dichte schwarze Haar war grau gesprenkelt. Zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand hielt er einen erloschenen Zigarrenstummel. Am Ringfinger stak ein Siegelring. Er sah wie etwa vierzig aus.

Die farbigen Frauen schienen ausschließlich zu seiner Unterhaltung zu tanzen. Eine leichte Röte breitete sich auf seinem talgigen Gesicht aus. Die Musik endete.

Eine gefährlich klingende, knarrende Stimme verkündete laut über das keuchende Gelächter: «Ich hätt direkt Lust, 'nem weißen Mutterschänder den Hals abzuschneiden.»  - Chester Himes, Heiße Nacht für kühle Killer. Reinbek bei Hamburg 1969  (zuerst 1959)