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Wachsamkeit (2) Durch die entlegensten Gassen
und Gäßchen rasselte ein höchst sonderbares Fuhrwerk, das näher zu bestimmen
nicht ohne weiteres möglich gewesen wäre. Es war weder einem Reisewagen noch
einer Kutsche oder Droschke ähnlich, sondern glich eher einer pausbäckigen,
ausgebauchten Wassermelone, die man auf Räder gesetzt hatte. Die Backen dieser
Melone, das heißt die Wagentüren, die noch Spuren eines gelben Anstrichs zeigten,
schlössen nur mangelhaft infolge des verwahrlosten Zustandes der Türklinken
und Schlösser, die nur von Schnüren notdürftig
zusammengehalten wurden. Die Wassermelone
war mit Kattunkopfkissen, die an Tabaksbeutel, Polster
oder Walzen erinnerten, und mit Säcken voll Brot, Semmeln, Wecken, Kipfeln,
Kringeln und anderem Hefegebäck beladen. Ganz oben guckten sogar zwei große
Piroggen heraus - eine gesalzene und eine mit gebratenem Huhn gefüllte. Das
Trittbrett wurde von einem schon ergrauten, unrasierten Subjekt eingenommen,
das offenbar aus dem Lakaienstande hervorgegangen war, eine hausgewebte Jacke
trug und zu jenen Geschöpfen gehörte, die einfach »junger Mann« genannt wurden.
Das Rasseln und Klirren der verrosteten Schrauben und sonstigen eisernen Bestandteile
des Fuhrwerks weckten den Nachtwächter am entgegengesetzten
Ende der Stadt, der noch ziemlich verschlafen nach seiner
Hellebarde griff und dann aus Leibeskräften »Wer da?« brüllte. Als er jedoch
niemand sehen konnte, aber das Geräusch unverändert anhielt, beruhigte er sich
wieder, erwischte ein Tierchen, das auf seinem Mantelaufschlag saß, und vollzog
auf der Stelle im Scheine einer Laterne die Hinrichtung des Insekts mit seinem
Daumennagel, worauf er die Hellebarde befriedigt wegstellte und nach den Gepflogenheiten
seiner Zunft sogleich wieder einschlief. - Nikolaj Gogol, Die toten Seelen. München 1965 (zuerst
1842)
Wachsamkeit (3, revolutionäre)
Wachsamkeit (4) Ich schlief, aber ich habe gelernt, mit einem Arm wach zu bleiben, indem ich ihn aushänge. Wenn man ins Bett geht und kurz vor dem Einschlafen ist, braucht man nur zu denken, der Arm ist der Schwanz einer Eidechse, der sich, selbst wenn er sich vom Körper loslöst und auf die Erde fällt, allein weiterbewegt wie ein Schlänglein und auf eigene Faust zum Beispiel mit einem Raubtier kämpft.
Das kann der Arm auch, aber er hat viel mehr Möglichkeiten, und er hat auch einen Intelligenzvorrat, der zehntausendmal größer ist. Wenn ich also die Augen zumache und schlafe, dann übernimmt der Arm die Wache, und wenn er Schatten hört, die in der Nähe des Bettes heurmstreichen, dann teilt er einige Schläge nach links und einige nach rechts aus, oft auch sehr kräftige. Und wenn er die Eage als zu gefährlich einschätzt und er schon alles versucht hat, dann weckt er mich auf.
Aber das ist der letzte Ausweg, und ehe es so weit kommt, ruft er den anderen Arm und die Beine zu Hilfe, die mit derselben Fertigkeit Fußtritte nach allen Seiten austeilen, immer wieder, so daß einer, den sie treffen, ziemlich übel zugerichtet wird.
Sie wissen doch, wie Pferde oder Esel sind, wenn sie scheuen und Sprünge
machen wie eine Feder und gefährlich ausschlagen, wenn ihnen einer nahekommen
will? So ist es in manchen Nächten, daß ich im Halbschlaf merke, wie Fußtritte,
Schläge, Fausthiebe durch die Luft sausen, ich merke, wie Beine und Arme zusammen
wilde Kämpfe und große Schlachten bestehen. Also kann ich nun an jedem beliebigen
Ort getrost schlafen. Und wenn ein Feind auch auf leisen Sohlen naht und mich
rücklings angreift, der Arm schlägt automatisch los und pariert den ersten Schlag,
auch wenn er tödlich wäre; dann liefert er einige kleine Gefechte, um andere
Angriffe zurückzuschlagen, und wenn nötig gibt er mit dem Fuß
einen letzten Tritt. -
(mond)
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