orsatz Ärger,
der alles im Kopf zusammenpappt. Ich habe Detlev nicht erschossen! Ich stehe
nicht auf sittlich niedrigster Stufe! Doch, sagte der Staatsanwalt. Ich habe
die Tat nur deshalb begangen, weil ich sehen wollte, wie das sei, wenn man auf
einen Menschen schießt; auch das habe ich nur einmal gesagt, weil ich so oft
verhört wurde. Der Schuß war nur aus Versehen losgegangen, sagte mein Verteidiger.
Das ist Mord! Ich wollte Detlev die Pistole abkaufen. Wir tranken Gin und ich
sah mir die Pistole an, die ich nicht bekam. Als er sich die Schuhsenkel band,
den Fuß auf dem Stuhl, schoß ich ihm in die Brust. Ich lief weg, verlor aber
schon am Hauseingang die Pistole. Ich bring noch einmal einen um, soll ich einmal
zu meiner Mutter gesagt haben, und daraus konstruierten sie eine vorsätzliche
Tötung. Aber als ich das sagte, wollte ich doch nicht Detlev umbringen, der
liebste Mensch war mir doch damals Res. Aber wenn mir jemand sehr lieb ist und
der mir was versagt, dann ist es doch, als versage ich mir selber was und ich
fühle mich nicht wohl, bin halbe Portion, als solche kann ich nicht leben, und
bevor man sich selbst umbringt, erschießt man besser einen anderen - naja besser
gerade nicht. Meine Mutter, meine Großmutter oder meine Frau hatte ich umbringen
können . . . bin halbe Portion. . . Kein absoluter Tötungswille, befand das
Gericht, ich bekam 5 Jahre. Wenn man einen anderen in die Brust schieße, müsse
man mit einem tödlichen Ausgang rechnen. Auf dem Rückweg nahm ich wieder meinen
siebzehnjährigen Postboten mit, der eigentlich Frisör ist, aber als Angestellter
bei der Post mehr verdient und demnächst Brotausfahrer einer Großbäckerei werden
will wegen des größeren Verdienstes; er wollte auf dem Landratsamt seinen Opel
anmelden, aber um halb 12 nahm ihn der Beamte nicht mehr dran. Wenn die Müllabfuhr
schon keinen ehemaligen Häftling einstellt — was verlangt man eigentlich von
der Industrie? dachte ich, meine Misere nach der Haftentlassung vor Augen, da
ich keine Anstellung kriegte, bis ich im Museum unterkam. Der junge Postbote
zeigte weder Ärger noch Trauer noch Zorn, obwohl er lange Haare hatte, seine
Schwester wollte er schicken. Ich hatte schon früher mit der Polizei zu tun.
Mit Res hab ich eine Mord-Szene auf der Straße gespielt. Als ich auf Res 2 Schüsse
gefeuert hatte, es war der schönste Mai und ich schoß aus der Hüfte, und Res
zusammenbrach und in den Straßengraben rollte, nahmen mich von hinten 2 Polizisten
weg, den einen schmiß ich in den Graben, der andere richtete meine Pistole auf
mich. Das ist eine Startpistole, rief ich und wollte dem baffen Kerl in die
Fresse schlagen, da mir der andere seine Waffe in den Nacken drückte. Die beiden
Beamten wurden belobigt, und ich wurde wegen Erregung öffentlichen Ärger-nises
zu 90 Mark verurteilt.
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Herbert Achternbusch, L'État c'est moi. Frankfurt am Main 1972
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