orliebnehmen Doktor
Flamini war kein Jüngling mehr: er war ein Mann. Was tat's? Eine Frau von über
vierzig Jahren kann nicht mehr wählerisch sein.
Sie muß nehmen, was sie findet. Und gewöhnlich findet sie einen Mann, der mit
ihr vorliebnimmt, entweder weil die Arbeitszeit in seinem Büro ihm nicht die
Zeit läßt, herumzustreifen, um eine vorteilhaftere Geliebte zu suchen, oder
weil er begriffen hat, daß vor dem täglichen Bedürfnis der Sinne alle Frauen
gleich sind. In Klothildes Alter spielen die Frauen nicht einmal mehr die Einleitungsszenen
der Zurückweisung in dem großen Lustspiel. Sie bieten
sich an und danken dir auch noch.
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Pitigrilli, Betrüge mich gut. In: P., Betrüge mich gut. Reinbek bei
Hamburg 1988 (rororo 12179, zuerst 1922)
Vorliebnehmen
(2) Vathek streckte sich auf einer Daunenmatratze aus, er erholte
sich allmählich von den Stößen der Äthiopierin, die ihn die knochigste Schindmähre
dünkte, die er je bestiegen hatte - die ihn aus dem Feuer getragen hatte auf
ihrem Rücken - , und verlangte zu essen. Aber, ach, die köstlichen kleinen Kuchen,
die man bisher in silbernen Öfen für seinen königlichen Mund gebacken hatte,
die süßen Brote, Zuckerwerk mit Amber, die Flaschen mit Schiraswein, die Porzellanschalen
mit Fruchteis und die Trauben, die an den Ufern des Tigris gereift waren, alles
war unwiederbringlich verloren, und Bababaluk hatte in dieser Lage nichts anderes
aufzuwarten als Wolfsrücken, am Rost gebraten, gedämpftes Geierfleisch, gallenbittern
Kräutersalat, wilde Pilze, Distelgemüse und die Wurzeln anderer Gewächse, die
die Zunge aufreißen und den Gaumen geschwürig machen. Mit Getränken stand es
nicht besser. Mit Mühe und Not trieb man ein paar Flaschen Fuselbranntwein auf,
wie sie Treiber m ihren Packtaschen versteckt hatten. Vathek schnitt entsetzliche
Grimassen zu solch einer Mahlzeit. Bababaluk aber zuckte die Achseln als Antwort
und wandte sich ab. Trotzdem aß der Kalif mit leidlichem
Appetit und fiel sofort in einen sechsstündigen Verdauungsschlaf. - William Beckford, Vathek. Stuttgart 1983 (Bibliothek
von Babel, Bd. 3., Hg. J. L. Borges)
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