orfrühling Auf dem Pflaster vor dem Café standen schon die Tischchen. Frauen saßen in hellen, bunten Kleidern davor und verzehrten Wind in kleinen Schlucken wie Gefrorenes. Die Röcke schwirrten, der Wind biß von unten wie ein kleines wütendes Hündchen zu, die Frauen bekamen rote Backen, es brannten die Wangen vom trockenen Wind, und die Lippen sprangen auf.
Noch währte die Pause und die große Langweile der Pause; die Welt näherte sich langsam und mit Lampenfieber irgendeiner Grenze, erreichte frühzeitig ein Ziel und wartete.
Wir hatten in diesen Tagen alle einen Wolfshunger. Ausgetrocknet vom
Wind liefen wir nach Hause, um in stumpfer Nachdenklichkeit ungeheure Schnitten
Brot mit Butter zu vertilgen, kauften auf der Straße große, vor Frische
knisternde Brezeln und saßen reihenweise im geräumigen Flur des leeren
und gewölbten Steinhauses auf dem Marktplatz, ohne einen einzigen Gedanken
im Kopf. -
Bruno Schulz, Der Frühling. In: B. S., Die Zimtläden und alle anderen Erzählungen.
München 1966
Vorfrühling (2) Die Reisezeit war nicht trefflicher zu wählen, denn es war Lenzanfang, folglich der 21. März; im März aber zu reisen, ist sehr köstlich, zumal wenn man vor Staub kaum sein eignes Wagenrad oder sein Stiefelpaar sehen kann. Welche ausgehellete Herzen schlugen von Marggraf Nikolaus an bis zum Kandidaten und Stößer hinab - welche beide nun vollends stilltoll waren vor Lust -; denn es fehlte an nichts, weder an Himmel noch an Erde!
Das Himmelblau sah aus wie eine junge Jahr zeit; als war' es anders gefärbt,
so sehr erschien alles Älteste neu - die Tannenwälder ergrünten lustig unter
ihren Schneekronen, als war' es im Winter anders - gelbe Gänseblümchen und gelbe
Schmetterlinge, immer die ersten im Herauskommen, trugen neue chinesische Kaiserglanzfarben
auf die bisher erdfarbige Erde auf - das welke Herbstlaub der Büsche rauschte
zwischen den lebendigen jungfräulichen Knospen, aber das Rauschen war viel schöner
als das andere des noch ziemlich frischen Fall-Laubs im Herbste. Der Vorfrühling
kann sich zwar nicht zu den Menschen hinstellen wie der Nachsommer und zu ihnen
sagen: «Sehet, was ich auf den Armen und Zweigen habe, und ich will's euch zuwerfen»;
- er braucht vielmehr selber Kleider und Früchte; aber ihr liebt ihn doch wie
ein nacktes Kind, das euch anlächelt. -
Jean Paul, Der Komet oder Nikolaus Marggraf. Eine komische Geschichte. Zürich
2002 (entst. ca. 1820-25)
Vorfrühling (2)
Pralle Wolken jagen sich in Pfützen Aus frischen Leibesbrüchen schreien Halme Ströme Die Schatten stehn erschöpft. Auf kreischt die Luft Im Kreisen, weht und heult und wälzt sich Und Risse schlitzen jählings sich Und narben Am grauen Leib. Das Schweigen tappet schwer herab Und lastet! Da rollt das Licht sich auf Jäh gelb und springt Und Flecken spritzen – Verbleicht Und Pralle Wolken tummeln sich in Pfützen |
- August Stramm
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