orahnung   Tom Parker hatte eine schlechte nacht gehabt; allerhand bedrückende träume hatten ihn nicht so recht schlafen lassen, er war immer wieder aufgewacht, von einem eigenartig drohenden gefühl bedrängt, und er war immer wieder eingeschlafen, um dort mit seinem neuen traum zu beginnen, wo der alte abgebrochen war.

Nun lag er hellwach in seinem bett, draußen schien die sonne, im garten machten die vögel einen höllenspektakel, und im verein mit dem kräftigen frühstück, das ihm James, sein treues faktotum, serviert hatte, schien ihm die welt in bester laune und ordnung zu sein.

Aber Tom Parker hatte dennoch nicht das gefühl, daß dem so sei, und er mißtraute dem scheinbaren frieden um so mehr, zumal er aus seiner langjährigen erfahrung als detektiv wußte, daß sich ein sturm stets unter solch idyllischen vorzeichen anzukünden pflegt.

Tom Parker war nicht abergläubisch, aber auf seine träume konnte er sich, so komisch das klingen mag, ganz und gar verlassen. Und er hatte von vergifteten briefen geträumt, von briefen, die ihm eine feindin zugeschickt hatte. Er sah auf die armbanduhr und klingelte nach James. Gleich darauf erschien der würdige butler und nahm eine abwartende haltung ein.

"Sie wünschen, Sir?" fragte er.

"Ist schon post gekommen, James?"

"Gewiß, Sir. Seltsamerweise nur ein einziger brief."

Das war in der tat ein seltsamer sachverhalt, denn sonst gab es stets eine menge post: bittschriften, kartengrüße aus aller welt, einladungen, geschäfts- und drohbriefe, alles dinge, die den vormittag eines berühmten detektivs auszufüllen vermögen. "Das läßt allerdings auf manches schließen!" murmelte Tom Parker. "Und wo ist dieser brief, James?"

"Sir", erwiderte der butler, "ich habe mir eigenmächtig erlaubt, das schreiben einer chemischen analyse zu unterziehen. "Und was ist dabei herausgekommen?" Tom Parkers stimme klang mit einem male sehr gespannt.

"Ein heimtückisches südamerikanisches hautgift, das schon bei der geringsten berührung den tod herbeiführt, Sir; eine art xurire, wie es von den Indios am unteren Orinoco verwendet wird."

"Alle wetter, James, das ist stark!" rief Tom Parker, und mit einem sprung, der eines akrobaten würdig gewesen wäre, schnellte er aus dem bett. - Aus:  H.C. Artmann, Tom Parker der Weltdetektiv, in: Detective Magazine der 13, Hg. H.C. Artmann Esq. Residenz Verlag Salzburg 1971

Vorahnung (2) Der König kam am Donnerstagabend an. Die Jagd, die Lichter, der Mond, der Spaziergang und der Imbiß auf einem Teppich blühender Narzissen, all das ging nach Wunsch. Dann, beim Abendessen, reichte der Braten nicht an allen Tischen, weil mehr Gedecke bedient werden mußten, als vorausgesehen war. Das erschütterte Vatel. Er sagte mehrmals: »Es geht um meine Ehre, ich kann eine solche Schande nicht überleben.« Zu Gourville sagte er: »Mir dreht sich alles. Ich habe seit zwölf Nächten nicht geschlafen, helfen Sie mir mit den Anordnungen.« Gourville unterstützte ihn, wo immer möglich. Diese Braten, die nicht gereicht hatten, nicht etwa an der Tafel des Königs, sondern am fünfundzwanzigsten und nächsten Tisch, wollten Vatel nicht aus dem Sinn. Gourville meldete es dem Prinzen. Der Prinz suchte Vatel in seinem Zimmer auf und sagte ihm: »Vatel, alles geht vortrefflich, das Souper des Königs könnte nicht besser gewesen sein.« »Königliche Hoheit«, antwortete Vatel, »Ihre Güte versetzt mir den letzten Stoß. Ich weiß, daß an zwei Tischen der Braten nicht gereicht hat.« »Keineswegs«, sagte der Prinz, »rege er sich nicht auf, es geht alles ausgezeichnet.« Die Nacht kam. Das Feuerwerk mißlang, war von Wolken verhüllt. Es hat 16 000 Francs gekostet. Um vier Uhr geht Vatel überall herum. Alles schläft. Er begegnet einem kleinen Lieferanten, der ihm nur zwei Tragkörbe voll Fische bringt und fragt ihn: »Ist das alles?« »Ja, Herr Vatel«, antwortete der Mann, nicht ahnend, daß Vatel nach allen Seehäfen geschickt hatte. Vatel wartete noch einige Zeit. Alle anderen Lieferanten blieben aus. Er regt sich auf, ist überzeugt, daß nichts mehr eintreffen wird, sucht, findet Gourville und sagt zu ihm: »Diese Schande kann ich nicht überleben. Es geht um meinen Ruf und meine Ehre.« Gourville lacht ihn aus. Vatel geht in sein Zimmer, stemmt seinen Degen gegen die Tür und sticht ihn sich ins Herz; aber erst beim dritten Stoß, zwei Stiche waren nicht tödlich gewesen. Er fällt leblos zu Boden. Unterdessen kommt von allenthalben in Mengen die Ernte der Flut. Man sucht Vatel, damit er sie verteile. Man kommt vor sein Zimmer, man klopft, ruft, schlägt die Tür ein, und da liegt er, blutüberströmt. Man eilt zum Prinzen. Er war verzweifelt über die Nachricht. Der Herzog von Enghien weinte. Vatel sollte die Stütze seiner Reise durch Burgund sein. Erschüttert teilt es der Prinz dem König mit: man sagt, es sei aus einem Ehrbegriff eigener Art geschehen, man lobt ihn sehr, lobt und tadelt seinen Mut. Der König sagte, fünf Jahre lang habe er seinen Besuch in Chantilly immer wieder aufgeschoben, weil er wisse, welch ein Übermaß an Trubel er mit sich bringe.  - (sev)

Vorahnung (3) Ein junger Mann, aus Paris gebürtig, hatte die Welt bereist und war in allen Hochschulen diesseits und jenseits der Alpen herumgesessen, bis er sich wieder in seine Heimatstadt verzog, allwo er einige Zeit als lediger Junggeselle ein fröhliches Leben führte und nicht im Traum daran dachte, sich ein Weib zu nehmen, weil er sich sagte, er habe das ja bei dem großen Überfluß an liebestollen Frauen gar nicht nötig, die ihn umschwärmten wie die Bienen eine frisch erblühte Rose. Er hatte aber auf seinen Reisen die Listen und Ränke der Frauen aller Länder wohl erforscht und durchschaut und sie auch selbst zu seinem Nutz und Frommen oft und oft angewendet. Darum drängte es ihn nicht sonderlich, ein Weib zu freien, denn er fürchtete jenes allbekannte Übel, das man gemeinhin die Kuckuckskrankheit oder Hahnreischaft nennt.  - Der Mann, der seine Frau verkuppelte. Schwänke und Novellen aus dem alten Frankreich. München 1967 (dtv 383)

Vorahnung (4)

Vorahnung (5) Kurz vorher, ehe die Fürstin Ragozky von Warschau nach Paris reiste, hatte sie folgenden Traum.: sie träumt, daß sie sich in einem unbekannten Zimmer befindet, wo ein gleichfalls ihr unbekannter Mann mit einem Becher zu ihr kommt, und ihr daraus zu trinken anbietet. Sie erwiedert, daß sie keinen Durst hätte, und dankt ihm für sein Anerbieten. Der unbekannte Mann wiederholt seine Bitte, und sezt hinzu: sie möchte es ihm nicht weiter abschlagen, denn dies sey der lezte Trank ihres Lebens. Sie erschrack heftig hierüber und erwachte.

Im October 1720 langte diese Fürstin munter und gesund in Paris an, und bezog ein Hotel garni — (eine möblirte Wohnung) wo sie bald nach ihrer Ankunft ein heftiges Fieber überfiel. Sie schickte so gleich zu dem berühmten Arzt des Königes, dem Vater des Helvetius. Der Arzt kam, und die Fürstin gerieth in ein auffallendes Erstaunen. Man fragte nach der Ursache desselben, und sie gab zur Antwort, daß der Arzt ganz vollkommen dem Manne gleich sähe, den sie zu Warschau im Traum erblickt hätte. ›Doch diesmal‹, sezte sie hinzu, ›werde ich noch nicht sterben, denn dieses Zimmer ist nicht dasselbe, das ich damals zugleich mit im Traum sahe.‹

Die Fürstin wurde bald darauf völlig wieder hergestellt, und schien ihren Traum ganz vergessen zu haben, als sie durch einen neuen Umstand wieder mit der grösten Lebhaftigkeit daran erinnert wurde: sie war mit ihrem Logis in dem Hotel nicht zufrieden, und verlangte daher, daß man ihr eine Wohnung in einem Kloster zu Paris zubereiten möchte, welches auch geschah. Die Fürstin zog in das Kloster ein, allein kaum war sie in das für sie bestimmte Zimmer getretten, als sie überlaut zu schreyen anfieng, ›es ist um mich geschehen, ich werde nicht wieder lebendig aus diesem Zimmer herauskommen: denn es ist ebendasselbe, das ich zu Warschau im Traum gesehen habe.‹ Sie starb würklich nicht lange darauf, zu Anfang des Jahrs 1721, und zwar in dem nämlichen Zimmer an einem Halsgeschwür, das durch die Herausnahme eines Zahns entstanden war.

Auch dieser Traum rührte von einem guten Engel her, der die Fürstin auf ihr bald bevorstehendes Ende aufmerksam machen wollte. - (still)

Vorahnung (6) Es gibt in "Ein Held unserer Zeit" die Schilderung eines Duells, in der Lermontow die Umstände seines eigenen gewaltsamen Todes vorausgenommen zu haben scheint. Im Roman fällt der Gegenspieler des »Helden«, Gruschnitzky, zu dem ein Major Martynow das Modell hergeben mußte. Im Leben vertauschen sich die Rollen. Wenige Monate nach dem Erscheinen des Romans feuerte Martynow die tödliche Kugel auf Lermontow ab. - Nachwort zu: Michail Lermontow, Ein Held unserer Zeit. Frankfurt 1963 (EC 92, zuerst 1840)

Vorahnung (7)  Edgar Allan Poe hatte vor vielen Jahren »Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym« aus Nantucket geschrieben. Pym fuhr mit einem Schiff, das unterging. Die vier Überlebenden trieben schon viele Tage in einem Rettungsboot und standen vor dem Verhungern. Sie beschlossen, den jungen Kabinensteward Richard Parker zu töten und zu essen. Einige Jahre später, im Sommer 1884, fuhr ein Cousin des Großvaters des Zwölfjährigen als Kabinensteward auf dem Segelkutter »Mignonette«. Auch dieses Schiff sank, und die vier Überlebenden trieben viele Tage ohne Nahrung in einem Rettungsboot. Die drei älteren Mitglieder der Besatzung töteten und aßen schließlich den Kabinensteward. Er hieß Richard Parker. - (hoe)

Vorahnung (8)  

 

- N.N., (ca. 1910)

Vorahnung (8)  

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