ollkommenheit  Er war sehr freigebig und tat viel Gutes, was niemand wußte, weil er nur unter der Bedingung half, daß man nicht davon rede. Nie war ein Mann so reich an echten Tugenden, ihm fehlten nur ein paar Laster, das heißt ein wenig Hochmut, Eitelkeit und Stolz, aber im Ganzen war er vollkommen.  - (sev)

Vollkommenheit (2)  Ich weiß, daß ich nicht mehr als vier Frauen für die ideale physische und geistige Vollkommenheit brauche. Mit der Seele der ersten, dem Geist der zweiten, der Treue der dritten und der Gestalt der vierten hätte man das Meisterwerk des Himmels.  - (lig)

Vollkommenheit (3)  Ich weiß in der Tat nicht warum dieser Mensch noch fortlebt in der Welt, keine von den Eigenschaften, die er jetzo besitzt, darf er auf einen höheren Grad der Vollkommenheit bringen, eine jede würde sich im Galgen endigen. - (licht)

Vollkommenheit (4)  Die Beguarden lehrten, man könne einen solchen Grad der Vollkommenheit in diesem Leben erlangen, daß man in der Gnade weder weiterkommen, noch zurückgehen könne und unsündlich geworden sey. Da sie sich also einbildeten, dieses erwünschte Ziel erreicht zu haben, so überließen sie sich ohne Rückhalt der Unzucht. - Henri Joseph du Laurens, Mathieu oder Die Ausschweifungen des menschlichen Geistes.  Nördlingen 1988 (Die Andere Bibliothek 47, zuerst 1765)

Vollkommenheit (5)  Gott wäre nicht Gott, würde er vollkommen sein. Oder, um mich nicht zu sehr über diesen Punkt zu verbreiten, würde er nicht auch unvollkommen sein; oder doch solches zumindest unseren armseligen Worten gemäß. Tatsache ist, daß er nicht allen Wesen, die unter seinen Händen entstehen, einen gleichen, ich meine einen gleichermaßen intensiven Lebensimpuls verleiht. Ob Zerstreuung ob Vorbedacht, einige erhalten von ihm einen geringeren, als zum Leben nötig ist. Die Veranlagungen im eigentlichen Sinn des Wortes sind vielleicht bei allen gleich. Aber der Unterschied zwischen den Menschen und ihren diversen Schicksalen liegt gerade hier: daß den einen mehr und den anderen weniger vom göttlichen Hauch verliehen wurde. Andernfalls ist es nicht zu erklären, weshalb Geschöpfe, denen es an einigen edlen Fähigkeiten keineswegs mangelt, ein überaus trauriges und tristes Leben führen und letztlich mit allen ihren Fähigkeiten nichts anzufangen wissen. Was eben davon kommt, ich wiederhole es, daß ein schwächerer Odem sie aus den Händen des Schöpfers entließ. So daß, obwohl sich vor diesen Geschöpfen die Welt in ihrem vollständigen Erscheinungsbild darbietet, es diesen, was immer sie tun mögen, doch nicht gelingt, in sie einzutreten noch die Richtung ihres eigenen sowie anderer Schicksal zu erkennen. Von ihnen pflegt man zu sagen, daß sie sich nach einer anderen Heimat, nach ihrer himmlischen Heimat sehnen und deshalb die irdische verschmähen. Aber das ist nur eine Redensart: erschaffen werden heißt, jede Art von Erinnerung, sei sie offenkundig oder verborgen, an die wahre Heimat verlieren. - N.N.: Der Brunnen des Hl. Patrizius, nach (land2)

Vollkommenheit (6) »Stellen Sie sich eine Person vor, unfähig, einen Gefühlsirrtum zu begehen oder sich in ihren Berechnungen zu täuschen, stellen Sie sich eine unerträgliche Heiterkeit des Charakters vor, eine Hingebung ohne Komödienspiel und hochtrabenden Schwulst, eine Sanftmut ohne Schwäche, eine Tatkraft ohne jede Heftigkeit. Die Geschichte meiner Liebe gleicht einer endlosen Reise über eine Fläche, rein und glatt wie ein Spiegel, von einer schwindelerregenden Eintönigkeit, die alle meine Gefühle und Bewegungen mit der peinlich genauen Ironie meines eigenen Bewußtseins zurückgeworfen hätte, derart, daß ich mir keine Bewegung, kein unvernünftiges Gefühl gestatten konnte, ohne mir im gleichen Augenblick den stummen Vorwurf meines unzertrennlichen Schattens gefallen lassen zu müssen. Die Liebe erschien mir wie eine Vormundschaft. Wieviel Torheiten hat sie mich verhindert zu begehen, die ich leider nicht begangen habe! Wieviel Schulden gegen meinen Willen bezahlt! Sie hat mich all der Vorteile beraubt, die ich aus meiner eigenen Narrheit hätte ziehen können. Mit einer kalten und unüberschreitbaren Richtschnur versperrte sie allen meinen Launen den Weg. Gipfel des Grauens, sie forderte, die Gefahr einmal überstanden, keinen Dank. Wie oft mußte ich mich zurückhalten, ihr nicht an die Kehle zu springen und ihr zuzusdireien: ›Sei doch weniger vollkommen, Elende! damit ich dich lieben kann ohne Mißvergnügen und Zorn!‹ Mehrere Jahre lang habe ich sie bewundert, das Herz voll Haß. Schließlich, nicht ich bin daran gestorben!«

»Ah!« brachten die anderen hervor, »sie ist also tot?« »Ja! Das konnte so nicht weitergehen. Die Liebe war für mich ein schwerer Alpdruck geworden. Siegen oder sterben, wie es in der Politik heißt, das war die Wahl, die das Schicksal mir auferlegte! Eines Abends, in einem Wäldchen . . . am Rand eines Teiches.. . nach einem schwermütigen Spaziergang, bei dem ihre Augen die Sanftheit des Himmels widerspiegelten und mein Herz sich mir krampfte wie die Hölle ...«   - Charles Baudelaire, Der Spleen von Paris. In: C. B., Die Tänzerin Fanfarlo und Der Spleen von Paris. Zürich  1977 (detebe 20387)

Vollkommenheit (7) Ob ich in meiner späten Kindheit oder in meiner frühen Jugend den Entschluß faßte, vollkommen zu sein, weiß ich beim besten Willen nicht mehr; aber etwa um diese Zeit wird es gewesen sein. Die Faszination dieser Vorstellung berührt mich noch heute: Nie in irgendeiner Form Böses zu tun, vor allem nie zu lügen, zu verfälschen, zu betrügen, sondern stets die Wahrheit zu sagen, komme was da wolle. Ein solcher Entschluß versetzt einen in den siebten Himmel.

Er hielt nicht lange vor, denn meine Beobachtungen überzeugten mich bald davon, daß solche Entschlüsse, früher als mir lieb sein konnte, klar und unausweichlich den Tod herbeiführen würden. Ich sah zwar die Alternative - Heiligkeit -, aber mir stand nicht der Sinn nach dem Dasein eines toten Heiligen. Dennoch ist meine Sehnsucht, aufrichtig /u sein, nie ganz erloschen. Ich mußte mich auf eine haltbarere Position zurückziehen, die möglichst weit vorn liegen sollte, doch war mir bewußt, daß es ein Rückzug war. Ich war ein Lügner und würde immer einer sein, sauve qui peut!, den Feind wenn möglich niederwerfen und bekämpfen, das ja, aber die Heldenrolle des absolut Vollkommenen war meine Sache nicht, obwohl ich einen Blick auf die Gipfel erhascht hatte und sie nie vergessen würde. - (wcwa)

Vollkommenheit (8)

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