olksheld   Max Hölz kam dem am nächsten, was ich einen wirklichen Volkshelden nennen würde. Er erinnerte an jene kühnen Räuberhauptmänner, von denen wir in unserer Jugend lasen. Wie sie war er ein Freund der Unterdrückten, ein Feind der Tyrannen und ein Liebling der Frauen. Wie aus den Bauernkriegen übriggeblieben war er — voll Aufbegehrens über das den Arbeitern angetane Unrecht, keine Führerpersönlichkeit im Übermenschensinne, eher eine einfache Rebellennatur mit einem unbändigen Temperament. Kalte Berechnung, theoretische Zerfaserungen und Parteimachiavellismus waren ihm zuwider. Er nahm das Gewehr in die Hand, steckte sich die Stielhandgranaten in den Patronengurt oder in die Stiefelschäfte und ging wie im Mittelalter seinem Häuflein voran.

Man erzählte Wundergeschichten von seiner Tapferkeit. Zum Beispiel wie er allein einer Freikorpspatrouille entgegengegangen sei und das halbe Dutzend Schwerbewaffneter so eingeschüchtert habe, daß sie sich zitternd und um ihr Leben flehend ergaben. Er hatte viel vom echten Landsknecht an ich (leider standen damals die meisten seiner Art auf der Gegenseite!) und scheute sich nicht zu strafen, Häuser anzuzünden und zu vergelten, wo er es für angebracht hielt. Der Ruf «Hölz kommt!» verbreitete eine Zeitlang  Schrecken und Freude — je nachdem; bei Lebzeiten schon war er fast legendär geworden.

Im mitteldeutschen Aufstand verlief leider alles anders, als es geplant war. Hölz wurde gefangen. Er sollte zum Tode verurteilt werden; aber eine Rede im Prozeß, die noch heute die klassische Rede eines Rebellen bleibt, machte auf seine Richter einen so tiefen Eindruck, daß er mit Zuchthaus davonkam. Selbst im Zuchthaus — und ein preußisches Zuchthaus ist keine Kleinkinderbewahranstalt — behielt die Hölzlegende ihre Wirkung. Ich besuchte ihn einmal mit einem gemeinsamen Freund und war erstaunt, zu bemerken, mit welcher Achtung man ihn dort behandelte. Wie einen Herrn — ! Als wir nach Passieren vieler Gitter- und Eisentüren ihm in der Besuchszelle entgegengingen, kam sofort einer der Wärter und fragte ergeben: «Darf ich Herrn Hölz einen Schemel anbieten?»

Merkwürdig war auch, was nach ein paar Jahren geschah, als Hölz begnadigt und aus dem Zuchthaus entlassen wurde. Der rote Aufrührer kam nach Berlin und war im Nu ein Löwe der Gesellschaft.

Einer reichen Dame, die ihn zum Diner lud, schickte er einen Riesenstrauß roter Rosen. Die Millionärsgattin, vollschlank, parfümiert, dekolletiert, begrüßte ihn: «Wie froh bin ich. Genosse, daß Sie nun frei sind! Lassen »ie mich diese Rose in Ihr Knopfloch stecken, bevor wir zu Tisch gehen...»

Holz bückte sich und küßte ihr den Ellbogenwinkel.

«Nein, bitte nicht. Genosse, — wenn das mein Mann sieht — nicht hier, der Abend ist noch lang.» - George Grosz, Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst 1955

Volksheld (2) Fantômas, der die Schauplätze seiner klassischen Delikte Mord, Raub, Erpressung und Diebstahl nicht wie bei Meliès durch einen Filmtrick, sondern wie bei Lumiere durch die Tür verläßt, verschwindet dennoch stets spurlos vom Tatort; er ist der Mann im schwarzen Trikot, ein Volksheld ohne erkennungsdienstlich verwertbare Individualmerkmale, aber mit der unverwechselbaren Handschrift eines immer erfolgreichen, an Effizienz selbst den unerhörten mit seinen Opfern in den Schatten stellenden Umganges mit den Strafvcrfolgungsbehör-den, er taucht unter, nur um im nächsten Augenblick überall aufzutauchen, er ist der Extremfall des gewöhnlichen Verbrechers. Während amtlicherseits vermutet wird, Fantômas, der Einzeltäter, existiere nur in den Köpfen der Massen, entsteht der allgemeine Eindruck, daß er eine Erfindung der Administration ist. Die Begeisterung des Publikums war ebenso groß wie der Zorn der Zensoren.  - (net)

 

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