ogeltraurigkeit
Jeden Frühling, sobald die Vögel die Fische in der Donau zählen, wächst
an der Mündung des Flusses das weiße Schilf. Es wächst nur drei Tage, solange
sich salzige und süße Wasser mischen, doch ist sein Same geschwinder als jeder
andere, er treibt schneller Knospen, als die Schnecke kriecht, und erreicht
seine Höhe, während er die Ameise überholt, die an ihm emporkriecht. Auf dem
Trocknen vermag der Same des weißen Schilfs bis zu zweihundert Jahren zu ruhen,
fällt
er aber auf Feuchtigkeit, so treibt sein Keim in kaum einer Stunde an die Oberfläche, erreicht nach drei oder vier Stunden eine Höhe von einem Meter und gewinnt
darauf immer mehr an Umfang, so daß man ihn an der Neige des Tages nicht mehr
mit den Fingern zu umfassen vermag. Am Morgen hat er den Umfang einer menschlichen
Taille und die Höhe eines Hauses, so daß die Fischer häufig ihre Netze am weißen
Schilf befestigen, und es zieht diese im Wachsen selbst aus dem Wasser. Die
Vögel wissen gut, daß das weiße Schilf auch in ihrem Eingeweide wächst, und
hüten sich wohl, seinen Samen oder seinen Sproß zu schlucken. Und dennoch beobachten
Bootsleute und Hirten zuweilen einen Vogel, wie er im Flug auseinanderbirst,
und sie wissen, dies rührt daher, daß sich der Vogel im Wahnsinn oder aus irgendeiner
Vogeltraurigkeit heraus, die der menschlichen Lüge gleicht, sattgepickt hat
am Samen des weißen Schilfs, und dieser zerriß ihn im Flug. - (
pav
)
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