ogelei Ein
Kind ging hinter uns vorbei. Wieder war es dieser Knabe im dunkeln Samtkittel
mit den abwesenden Augen; eine braune Locke berührte seine Schläfe. Er hielt
ein grün gesprenkeltes Ei und eine Bussardfeder in der Hand. Die Lippen mit
dem Flaum er Bussardfeder streifend, die Augen zum Ei gesenkt, ging er an mir
vorbei. Ich folgte ihm bis zur Böschung, wo er in die Sonne schaute und das
Ei mit der Federspitze durchstieß. Dann trank er's aus. - »Ein Raubvogel
wirst du werden«, flüsterte der Knabe, hielt die Feder vor die Augen und sah
zum Rand des Bahndammes hinauf, zu dieser grünen, von Schachtelhalmen flirrenden
Grenze, die nun wasserflüssig wurde, als löse sie sich auf. Es war, als sähe
ich den Bahndamm, die Geleise, das Bahnwärterhaus von weitem und von oben; ich
hatte mich hineingestohlen in Raubvogelaugen und war entfernt von denen, die
in der Stube saßen. -
Hermann Lenz, Spiegelhütte. Frankfurt am Main 1999 (zuerst 1962)
Vogeleier (2)
- Max Ernst, Une Semaine de Bonté. New York 1976 (zuerst 1934)
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