öllerei Eine nicht geringe Zahl der Räuber des 18. Jahrhunderts hatte eine gute Erziehung genossen, ja zum Teil zur gebildeten und einzelne sogar zur gelehrten Klasse sich zählen dürfen.
Allein jene Räuberweise, die man mit dem Ausdruck Bestialität bezeichnen kann, findet ihre Erklärung in einem andern durchgreifenden Zug, den man durchweg bei allen diesen Räuberbanden findet, nämlich in einem tierisch wilden Hange zur Wollust und in sadistischer Geschlechtsausschweifung.
Fast ohne Ausnahme trugen alle gefangenen Räuber arge Spuren der Syphilis
an sich. Unter ihnen lebte eine Menge Konkubinen, die sich bald an einen, bald
an der andern hingen, von den Räubern ausgetauscht wurden, und sich gleich zu
einem andern hielten, wenn sie auch einen oder sogar auch mehrere Beischläfer
auf dem Schaffot hatten enden sehen. In allen Genüssen, so auch in dem geschlechtlichen
Umgang bis zum Ekel und zur selbsteigenen Vernichtung roh, war auch die Völlerei,
der Branntweingenuß, ein bezeichnendes Laster der meisten Bandenmitglieder,
sodaß dadurch mehr als einmal Verrat und die blutigsten Händel unter ihnen ausbrachen,
ja sogar manche Räuber im Rausche überrascht, gefangen und auf das Schaffot
geliefert wurden. So wurden auch später, 5. August 1809, die Mitglieder der
Wetterauer Bande, Hölzerlips, Vielmetter und Kleebach, auf dem Kronauerhof,
nachdem sie in einer Küche einen Krug voll Branntwein gefunden und ausgetrunken
hatten, in sinnloser Trunkenheit von Streifern überfallen und arretiert. Ebenso
wurde der berüchtigte Mordbrenner Horst in Trunkenheit auf dem Wege nach Berlin
in der Nacht vom 29. zum 30. September 1810 gefangen und auf den Scheiterhaufen
geliefert. Auch schon der gewaltige du Val wurde 1670 in einem Wirtshause zu
London betrunken zur Haft gebracht und bald darauf hingerichtet. - (ave)
Völlerei (2) Diese nunmehr verfallene,
schon archivierte Sünde wird nur noch auf ganz unschuldige
Weise begangen. Die milde, gute Stimmung, die sich um einen geistreichen und
besonnenen Essenstisch entwickelt, mißfällt selbst den strengsten Göttern nicht.
Freßsüchtig darf man sein; aber mit ein bißchen Keuschheit und Zurückhaltung;
die Gierigen, nur auf Leckerbissen scharf, sind zerstreute Tischgenossen; verachtenswert
die Naschhaften und Schlecker, die manischen Restevertilger; Nachsicht mit allen,
die von etwas kosten, in kleinen Happen, die ohne
jede Eile den Bissen im Mund genießen; weg mit dem Freßsack, dem Allesfresser;
man verlege sich - so sei es denn gesagt - auf eine musikalische Freßsucht à
la Rossini; eine vage abenteuerliche, neugierige und vorsichtig indiskrete Eßlust;
auch die Engel und die Gespenster sprechen, wenn sie einander ihre süßen Erinnerungen
an die Erde oder Hoffnungen auf sie erzählen, von durchsichtigen Gerichten und
von kristallenen Schalen, die abgenutzt sind durch die Liebe zu einem Wein:
zu einem uralten, vollkommenen Wein. - Giorgio Manganelli,
Lob des Essens. Nach
(man)
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