Vielwisserei
lehrt nicht,
Vernunft zu haben
Heraklit
.. Ich schreibe
jeden tag spielend leicht ohne etwas durchzustreichen seiten, gestern über Seneka,
der mir wieder sehr nahesteht, über die Ariadne, über Massenet, über papierformat,
über inneres hören-sehen, über mensch als maß, über einrichtung von beichtstühlen,
über ewiges leben im diesseits, über hinrichten, über Valéry, über das weltbewusstsein
usw.... das so 10 stunden am tag und das alles nun ins reine schreiben,
welch ungeheure fast vermessene arbeit!!!! ... 31. Januar 1964 Mir ward offenbar,
dass es neben der geschriebenen, gedruckten »Literatur« seit Jahrtausenden eine
ungeschriebene, viel viel höhere Dichtung gibt, in der sich jene andre, die
unser bisheriger Massstab ist, gänzlich verliert oder wie verdunstet. Die Schöpfungsmythe
der Uitoto in Kolumbien, der ägyptische "Lebensmüde", die älteste Dichtung
der Menschheit, 3000 Jahre vor Homer und so modern wie von morgen (ich gab sie
vor einigen Jahren in einer Zeitschrift an Tag), die Sprüche der Afrikaner,
die Preisgesänge der irischen Barden aus dem 5. Jahrhundert - niemand kennt
das alles bis auf ein paar tüftelige seelenkarge Gelehrte und Antiquare, die
alle Schatzvergräber mehr als Schatzgräber sind. Das alles habe ich wiederentdeckt
wie antike Statuen, mit Ehrfurcht entstaubt, frisch bemalt, aufgestellt, beschriftet
und meinem Volke geschenkt. Nach 35 Jahren hingehendster Abmühe ist das ganze
Werk da. Ich muss es nur ausschreiben. .... - und so
begann am 8. Mai 1931 mein drittes und höchstes Leben. Ich sah, was allerdings
zum Seltsamsten gehört was man in Deutschland sehen kann: den Desenberg, und
auf einmal, eben jetzt, fing ich überhaupt an wirklich zu sehen - dabei kam
ich doch aus den Alpen, gewohnt, Dreitausender zu besteigen -.... Und
so bin ich denn über diese ganzen Jahre gewandert, ruhelos, unerkannnt und wie
Wodan: es gibt zwischen Lippe und Main keinen Ort, keinen Bach, keinen Hügel,
den ich nicht kenne, seine Geschichte, seine Geologie - ein Werk von 180 Foliomappen
zu je 100 Blättern, hier steht es! Noch ungeschrieben, Dichtung und Forschung
in eins. ..... - garnicht zu reden von meinen sippengeschichtlichen Funden,
die wahre Fantastika sind: Ernst Robert Curtius in Bonn war entsetzt, als ich
ihm erwies, dass er ein Vetter von Molotow sei. Das Merkwürdigste, auch Schönste,
was ich in Europa kenne, ist Marsberg an der Diemel, wo noch Abraumhalden aus
der Broncezeit liegen und ein unterirdisches mystisches Labyrinth unter der
Stadt begehbar, doch nie begangen. Was alles nicht mehr Gegenstand eines Briefes
sein kann. Mein Werk, eine Inventarisation insgesamt, ist und ich bin ietzt
rund 27 000 km dafür gelaufen. ..... 16. Oktober 1963 Ich las jetzt
25 Bände des Holländischen 'Castrum Peregrini' ...30. Januar 1950 Inzwischen
schrieb ich die Gesänge der Akamba nieder, die ich jüngst übertrug, ein Volk
am Kilimandscharo ... ..28. Februar 1948 stille versunkenheit
in bergender arbeit an meinem weltumspannenden Lesebuch: ich nahm auf sinnsprüche
der sumatraischen Batak, feuerwerksgedichte der Geishas, arabische anekdoten,
tiefste chinesische Staatsweisheit, asäerbaidschanische lieder, türkische Urkunden,
und so fort und in alle fernen. Jetzt droht ruhe weil kein farbband mehr ...
4. Januar 1955 ...war um 8 schon wieder auf und lernte Provencalisch,
lese Marcabru und Ventadorn; 3 Tage im Bett mit japanischer Kunst: Sharaku -
kaufte mir für 35 Mk ein notwendiges Werk 'Das Weltbild der Naturwissenschaft'
mit vielen Bildern, um ganz klar zu sehn in Physik, Biologie, Urgeschichte,
Sternkunde. ... Meinen Heraklit will ich noch ändern, vorerst mehrere Tage nur
lesen. ..26. April 1949 Kein Reich der Erde, das ich nicht durchmaß...
Ich schreibe jetzt nur meine eigensten Sprüche und Verse, Studien und Fragmente
- gestern über Paläontologie, meine alte Leidenschaft, den Gliedbau der Schöpfung
oder den Ansinn ihres verborgenen Planes - dann endlich meine jahrelangen Wanderungen
mit ihren weiten Erfahrungen, eine Flut von Bildern, die ich alle doch wieder
zurückfluten lasse in den unausforschbaren Ungrund. Denn nur das ist mir Kunst
und ein Leben wert, das in sich selbst das Ewige hat, das Welteninnesein und
Weltgeheimnis, den Äther oder wie der Osten es im Schleier nennt: die Blume.
.....3. Januar 1952 Einziger Gewinn, dass ich wieder
lesen kann: Taulers Collationes in der Urfassung, Heinrich von Nördlingen und
die Ebner leiste ich grade. Und schreibe in schlafarmen Nächten ganze Hefte
neuer und scharfgefasster Gedanken, die, aus jahrelanger Felsenklamm befreit,
ein gewaltiges Hinstürmen zur Vollendung erhoffen lassen ....1920/21
.Ich habe was ganz Sonderbares gemacht was noch nie ein Mensch gemacht hat.
Sie müssen beide sich das mal besehn - es ist nicht Musik nicht Bild nicht Schrift
- es ist Mathematik mit Hilfe einer arabischen Nachtigall. ....1. April
1953 Nun führe ich seit 1907 Wetterbuch .8. November 1948 .Ich
erschrak fast, aus Ihrer Hand den Namen Dschagga zu lesen - habe ich doch hunderte
von Weisheitssprüchen dieses Volkes in mein Afrikanerbuch beigetragen und ihre
Kerbstocklehren verwertet in meiner noch nicht ausgeformten schwierigen Arbeit
über den 'Stab'.. .24. April 1961....Ich lese (mühsam) die einfach
unglaublichen 3 Bände 'Stammeslehren der Dschagga'. von Bruno Gutman in der
Reihe 'Arbeiten zur Entwicklungspsychologie. Band 12 (1932), 16 (1935), 19 (1938).
Was würdest du wohl dazu sagen??? Nie habe ich ein so merkwürdiges Buch gelesen!!..Ende
1922 .. Ich sitze täglich 8 Stunden auf der Bibliothek und lese. Meine Meteorologische
Arbeit ist mit 10080 Daten abgeschlossen, jetzt lerne ich Seismologie und bearbeite
alle Erdbeben seit 1500. Ich hatte grosse Angst davor und dachte ich würde es
nie vollenden. Aber ich habe die 26 Regeln die ich aufstellte ohne noch im Stoffe
heimisch zu sein bisher bei jedem Falle bestätigt gefunden! Alle Wissenschaften
kommen in neue Sättel und die getrenntesten Pläne schieben sich in eins zusammen,
dienen sich und bilden den vollendeten Welt-Leib ...28. November 1955
Arbeiten oder Versuche über über Sprache und Völkererkenntnis Mitte
Dezember 1955. Das Fußballspiel beschäftigt mich seit langem, bis
ich jetzt am Beweise bin, dass es zu den Spaniern kam von den Maya, ein uralter
Sonnenkult. Die heutigen Regeln, so das Verbot der Handberührung, schon dort
gültig. Bei den Maya gab es übrigens eine Göttin des Selbstmords - er galt als
Gnade und Ehre. Entzückende Rätsel aus Afrika schrieb ich gestern auf,
etwa: Eine Antilope, die sich schlafen legt
und immer wieder aufgescheucht wird. »Die Tür.« - Eine
junge Magd, die immer wieder verheiratet wird und wieder geschieden. »Der Kochtopf.« ....Dezember
1955.. Ich schreibe mein insgesamtes Lebenswerk auf, zunächst
meine fast unüberschaubaren Übertragungen und Nachdichtungen aus allen Zonen
und Kulturen und Sprachen der Erde, das Meiste davon bisher nur ganz wenigen
Gelehrten bekannt, doch von der ersten Schönheit und Bedeutung, eben bin ich
bei den Maya, Azteken, Tolteken und Totonaken...5. Januar 1931 Mein
erstes Südseebuch ist fertig, die weiteren werden folgen ..Januar/Februar
1957 Bei dieser Gelegenheit las ich - heute nacht - 3 Bände Galenos
in deutscher Übersetzung, erstaunlich über Säuglingspflege und Heilgymnastik.
......5. Januar 1931
- kam ich zu Mickiewicz und erinnerte mich plötzlich ganz daran dass ich, in
Masuren aufgewachsen, ja polnisch früher kannte als deutsch. So las ich im Sommer
viel polnische Geschichte und schrieb darüber. Auch ist Cyprian Norwid, dessen
Werk verschollen ist, mir eine unerwartete ressource gewesen. Sonst hatte ich
den Portugiesen Camoens wieder vor, aber auch bald hinten. Berkeley (Siris,
Theory of Vision) und Heinse sind unvergesslich. Von den neueren lese ich nur
Memoiren. Meine jahrelangen und nie zur Ruhe kommenden Studien in Fonetik konnte
ich in einer eigenen Welt-Laut-Schrift endlich niederlegen die ich in meinen
Arbeiten gleichmässig anwende. Diese Wissenschaft verwendet merkwürdige Fachworte,
z.B. »zerebraler Schnalz«. Prof.Rousseloh untersuchte die Bewegungen seiner
Zunge mit Gummibirnen und schrieb ein 200 Seiten starkes Werk um festzustellen
dass pi und pu länger sind als pup und pap. Oder es heisst: »Gutzmann und Flatan
sahen bei einem 13jährigen Jungen, während der Gaumen sich hoch zog und unter
scharfer Anlegung des Gaumensegels eine steile Hochkuppelung bildete die Gaumenbögen
mit den Mandeln sich aneinanderschliessen und den Kehldeckel tief herabgehn.«
....12. Januar 1948. Meine Sprüchesammlung ist unbeschreiblich,
sicher eins der merkwürdigsten und reichsten bücher die es gibt, ich nahm unerhört
tiefsinnige indianische berichte auf, von einem jüngling, der jahrelang in die
einsamkeit ging, unter felsen, fastend und sich kasteiend, um Gott zu schauen,
er offenbarte sich ihm viermal, aber es war der falsche Gott - da drang ein
strahl in seine höhle und redete mit ihm, und so empfing er die Wahrheit im
lichte. Dies geschah 1900 und ist überliefert, niemand kennt es. Und herrliche
arabische sufische Sentenzen und was nicht alles, nur nebenher.. ....Februar
1959 Bei mir war neulich ein berühmter Literat und war so entsetzt
über meine totale Unkenntnis und Weltfremdheit, sprach über Enzensberger, die
Bachmann, ich kenne diese Größen nicht, aber ich las ihm meine Geschichte der
Suahelidichtung vor und mein Essay über altindische Mathematik und über geistigen
Gehorsam im Konfuzianism, er floh und ich war sehr allein und mein Gewissen
wie eine Sonne...26. Juni 1962 Heute früh trug ich kleine Sätze
ein aus einem arabischen Lehrbuch für Handelswesen, völlig unbekannt, 9. Jahrhundert.
Quelle? 'Sitzungsberichte der physikalischen (!) Sozietät zu Erlangen', Band
43. 1904! ...2. April 1966..Unzählig viele Sprachen galt es zu erlernen,
denn mein Ehrgeiz war, immer eine wortwörtliche Übersetzung einer dichterisch
freien Übertragung gegenüberzustellen. So erschloss ich erstmals die erhabene
alt-irische Bardendichtung oder die seltsame Dramatik der sibirischen Wogulen
(einziges primitives Volk, das Theater spielt). Usw usw.....eine erste General-Inventarisation
unserer Landschaft - was sich in vielvielen Mappen niederschlug mit Studien
und Notizen, darunter Beiträge zu einer Häusergeschichte von Kassel oder zur
Personalgeschichte des Reichskammergerichts zu Wetzlar, auch zur Erforschung
der Wüstungen, der im Mittelalter untergegangenen Ortschaften, eine Disziplin,
die auf meine Anregung hin Professor Mortensen, der Göttinger Geograph, erst
aufgebaut hat ..17. Oktober 1957. Zuletzt habe ich köstliche tschagataische,
ost-turkestanische Poesien und meine irakischen Erotika beigetragen. Ein großes
Lied: »Von dem Feuer meiner Schmerzen brennt der Strom des Paradieses« - ich
schreibe es Ihnen ab, bin ich wieder daheim. Bald. Wenn ich 3 Tage nicht arbeite,
werde ich verrückt. ... November 1957 Eine kurze Geschichte von
Akka war zu Freidank noch nachzutragen und gab mir Gelegenheit zu einem plastischen
Entwurf über Friedrich den zweiten, den ich ganz anders sehe, wahrscheinlich
falsch, er will auch nur falsch gesehn sein.....20. April 1958 Ich
habe hochsälig Großes geschaffen, einen schneidigen Essay über Heinrich von
Morungen geschrieben, der hier alle (alle, es sind kaum 3) fasciniert hat -
dann den Imra'al-Qais eingetragen und kommentiert, Ahnherr aller Dichter, drittens
indische Musik aus dem 2. Jahrtausend vor Chr. aufgenommen, 4. aus einer persischen
Chronik den Tod Timurs 1405, des neben Hitler größten Unholdes der Geschichte.
5. aus einer annamitischen Chronik sehr tiefe Gedanken über Völkerfrieden (von
1300!) und über die Verschiebung der königl. Krone durch ein Erdbeben und dessen
Wiedergutmachung durch Opferung von Quitten u. Sandelholz - 6. etwa 50 Sprüche
der Schambala-Neger eingetragen (»Trug, Trug - das ist Medizin. Die Leuchte
des Inneren - das ist Heilkunst.«) - 7. reizende Gedanken über das Deminutiv
geschrieben.. Gelesen habe ich viel Mongolisches, z. Teil in den Texten mit
Grammatik u. Wörterbuch....3. September 1957 Ich kehre nun zu meinem
Werke zurück mit festem Plan für diesen weltbedeutsamen Monat: will die Iren-Gesänge
schnell aufschreiben, dann den Kommentar schreiben zu Klopstocks »Zeitvertreib-,
dann nach den eben wieder erhaltenen Texten der Ewe-Neger-Bardiete, 1930 in
Hamburg ausgearbeitet, durchsehn, bessern und neu und anders notieren, die z.T.
sehr ähnlich unserer Minnesänger-Musik (Melodien Reinmars und Burckharts von
Hohenfels), oratorisch - da nie für Leserkreise veröffentlicht, hochwichtig
auch als Vergleich geistiger Situationen bei verschiedenen Rassen über Jahrhunderte
hin, zudem von der ersten Schönheit; dann meine Uralgesänge einschreiben (die
ich Ihnen vorspielte), für mich letzte Lieder der Seelenfindung; dann einen
langen Kommentar zu Donoso Cortes und Stellen aus dem »Abfall vom Abendland«
in spanisch und eigener Übersetzung. Soweit die nächsten Wochen .....19. Oktober 1954 Ich komponierte 5 Klavierstücke,
monodisch, ohne Harmonien, mit 3 Fingern zu spielen! ... 5. August 1961 Wenn
ich lange schwieg - weil ich ins Ungeheure und wirklich Große Bleibende Worte
geschaffen habe: mit meinen ganz neuen Übertragungen der philosophischen Hymnen
aus den Veden habe ich, wesentlich in den weltweit ausgreifenden, ins Letzte
und Tiefste dringenden Kommentaren, das Schönst-wertvollste vor mich gebracht,
was mir im Leben gelungen ist, den Kanon meines weltvertrauenden Glaubens, mein
Lebens-Ja damit weit deutlicher wie in einer Inschrift verkündet, in Worten
dargelebt als ichs je in Fragmenten oder geistreichen Monologen hätte tun können
- seit 1924 bemühe ich mich um RigVeda und AtharvaVeda, die mir immer die heiligsten
Schriften der Menschheit waren, (Sanskrit lese ich ziemlich rasch,) ...Ich
berühre die Sphären 28. Januar 1952 .Ich las viel Indisches
- wieder mit Unbehagen,- diese Welt bleibt mir peinlich, und ich sehe (und will
dies auch dartun) darin nur einen Geringes - die bunten und giftigen Abwässer
- von Weisheit und Kunst. Das wortreiche Schwärmen von der All-Einheit ist ein
zu grandiosen Cumulus-Wolken hochgetriebenerdonnerter Flach-Sinn.
»Metaphysik« war mir immer entbehrlich. Ich liebe die Phänomene und glaube nicht,
dass noch viel »dahinter steckt« ...8. August 1956: Ich schreibe jetzt
meine Übertragungen von Liedern der Bhil ab, eines indischen vorarischen Altvolkes,
die einen wunderbaren Glanz haben und alle Farben und Düfte der Tropen. Dann
die völlig unbekannten Gedichte des Li Yü, die ich wörtlich aus den Texten übersetzte,
ohne sie schmeichlerisch oder heuchlerisch unserer gewohnten Manier anzupassen
... Mitte Januar 1955 Dann überflog ich einige Jahrgänge astronomischer
Zeitschriften, das war aufregend und nur märchenhaft, suchte auch mit dem Fernstecher
nach meinem Tabulae coelestes die besprochenen Partien gleich ab und erschauerte,
mit eigenen Augen durch Millionen von Lichtjahren reisen zu können im Nu - ja,
ich versenkte mich in überriesige Welten, die schon längst nicht mehr existieren!
Es wurde ein Doppelstern V 382 Cygni neuentdeckt mit der Wahnsinns-Geschwindigkeit
von 710 km/sec, und einer Helle 35000 mal über der Sonne! Dieser Stern wird
zeitweise bedeckt von einem nahen Begleiter und verändert sich bei seiner Annäherung
zu einem Ellipsoid! Noch seltsamer - und ich sah ihn - ist Aurigae, der 700 Tage lang von einem Riesenbegleiter und Dunkelstern bedeckt
wird, aber durch diesen hindurchscheint!! Es ist überhaupt sinnverwirrend sich vorzustellen....
24. Juli 1940 Es ist schon ein ungeheures Welt-Bild, das
ich male, allumspannend und alles lösend. Butter ist ein griechisches Wort:
bu (Kuh) - turon (Quark). Das deutsche Wort heisst: der Anke.. Arbeit heisst
orbo-id = »Knecht-Werk«, die freien Germanen arbeiteten nicht, nur ihre Sklaven..
Im Dänischen wunderte mich immer das Wort lalgen für Arzt; es ist das alte germanische
laron, heilen; Arzt ist griechisch = archiatros = Erzheiler; archi wie in Archi-episcopus
Erzbischof. Das alte Wort ist erhalten im Namen Lachmann und Lachner = Heilkundiger.
. Ich fand endlich Literatur über die Sprachstämme, von denen alles herleitet.
Wurzel »an«wehen, davon anemos (griech. Wind, Anemone), anima (Seele,
animalisch), ond (nordisch, dänisch: Geist), Äsen (Götter), Ahnen dgl. Sehr
tief!.. Lese viel über Wetzlar, meine besondere Lieblingsstadt u. bringe die
merkwürdigsten Funde zus. Im Museum dort bezaubernde Schattenriss-Sammlung,
darunter auch die 3 grossen Wetzlarer Nettelbladts... Endlich ist der schwarze
Nebel entdeckt in Nähe der Sonne, durch den diese vor 5 Millionen Jahren lief
mit ihrem System, wodurch Abkühlung und die vielen Eiszeiten, zwischen denen
wir uns befinden. Zu lesen in englischer Zeitschrift für Astrophysik 1936..
Auf Steinen am Edersee sieht man Spuren von 80 m hoher Flutwelle, damals war
der Mond nahe der Erde, der Tag sehr kurz, riesige Ebbe-Flut. Die allerneuste
geolog. Literatur ist einfach fascinierend für mich zu lesen bei unserer Ortskenntnis!!
Du wirst noch Wunder über Wunder erleben, Liebste!..... Ostern 1949. Meine
Schrift über die Religion der Kagaba in Colombia ist fast vollendet ...
Ich konnte eine große tiefdringende Abhandlung über den ›Mythos‹
noch beenden in einer ganz anderen Gewichtslage als die üblichen und fragwürdigen
Meinungen der Gelehrten, vielleicht kann nur ein Schaffender und Dichter in
diese Geheimnisse dringen. ... Anf. Februar 1940...Meine Geschichte
der Astrologie ist in Arbeit .... 4. Februar 1941... Dass man in
den Nativitäten der Lebenden soviel vorausahnt, schauen muss, ist mir selbst
immer wie Frevel! Man darf die Astrologie. garnicht geheim genug behandeln.
Übrigens ist meine Art das Horoskop zu stellen, zu zeichnen, zu deuten eine
ganz eigene, wie ich überhaupt grosse Entdeckungen gemacht habe, technische
und divinatorische, die ich noch keinem Menschen mitgeteilt! Ich habe aber auch
von den Quellen her diese Disciplin gelernt, arabisch und babylonisch gelernt
und die insgesammte lateinische und mittelalterliche Literatur durchgeformt,
oft grandiose tiefsinnige Monstra universaler Denker, in Leipzig benutzte ich
Morins Thema mundi mit eigenhändigen Notizen Kaiser Rudolfs II! ..4.
Februar 1957.. WAS ICH GRADE BEREITSTELLTE: Mein Werk kam sehr
voran, ist aber so übermenschlich schwer, dass ich nicht weiß, ob ich es schaffe.
Ich habe seit dem 1. Januar 1957 laut meines Ausweisbuchs 198 Bücher gelesen
und 36 Zeitschriftenbände. Unter »Zwangsversteigerung« brachte ich das Protokoll
über den Hausrat des Alkibiades nach s. Hinrichtung. Unter »Heilerde« einen
Bericht des Korsaren Piri aus dem türkischen Segelhandbuch von 1520 (»lemnische
Erde« mit genauem Kommentar über den Haiphestos-Kult). Ferner habe ich von meinen
333 Maltaliedern leider nur wenigstens 40 aufgenommen, ferner etwa 40 lappische
Melodien und Zaubergesänge (an das Nordlicht, das Moorhuhn, die rechte und linke
Seite, den Regierungspräsidenten dgl); sehr wichtig und für mich ganz neu waren
kostbare unbekannte italiänische und portugiesische Dichter, die ich nur im
Text bringe mit eigener wörtlicher Übertragung im Kommentar, so Boiardo, Camoes,
Foscolo, Cecco, Carducci, Basile (Vulkanausbruch) vor allem Ariosto, von dem
ich eine gewaltige Canzone auswählte. Ich musste italiänisch u. portugiesisch
dazu erst lernen! Dann mehre neugriechische Freischärlerlieder, unsagbar schön,
die ich mühsam phonetisch übertrug und wie alles zierlichst aufschrieb.
Jetzt kommen meine Uitotogesänge, die schwer aus dem geschlossenen Zusammenhang
zu lösen sind und die ich völlig anders deute als damals (vor 26 Jahren), aber
wer soll das heute noch verstehn?? Dann meine Palästinachöre, die ich z.T. mit
Texten ganz neu aufschreibe. Unter »Unterricht in Mathematik« bringe ich Verse
von V. Hugo aus den Contemplations. Unter »Hochhaus« einen Aufsatz von Gogol
(!!). Mir ist sehr wichtig, dass du dir für 1 Mk. 50 das letzte Heft der amerikanischen
Zeitschrift »Perspektiven« (Nr. 16, Heft 1956; Zschrift geht ein) kaufst und
darin den Aufsatz liest über Ezra Pound, und zwar ohne Unterbrechung von A bis
Z. Du wirst schon verstehn, weshalb mir das wichtig ist... Sommer 1945
Ich lebe jetzt völlig zurückgezogen nur meinem Schaffen und mache alles druckfertig
was ich in diesen Gefängnisjahren geschaffen habe - Bücher über Bücher. Ich
schreibe jetzt grade meine chinesischen Werke ab, leider mangelt Papier. Das
Chinesische erfüllt mich mehr als je. Ich übersetze neu und zum erstenmal ins
Deutsche den Juristen Döng Dsi (700 v. Chr.)..5. November 1942: Ich
bin sälig tief in der Arbeit, an der Abschrift des Laudsi in der Endfassung,
am Sun dsi >Kunst des Krieges", schrieb zahlreiche neue Fragmente über
französ. Sprache, las weiter Mallarme und ein Werk über die Eingeweide als Symbol...9.
Januar 1957. Wieder in vollem Fluge über Weltmeere, Anden und Alpen - trotz
wütiger Schmerzen durch ein Geschwür unter der Zunge. Die Auswahl zu treffen
aus meinem Maltabuch u. Uitotobuch war schwer, von 333 Maltaliedern
nur 41! Dann unter ›Liebesnacht‹ ein
sinnverwirrend schönes langes Poem von Ariosto in Text u. Übertragung, ferner
erlesene Verse von Boiardo, Cecco Angolieri u. Foscolo, alles unbekannt, von
Gogol (!) Worte über Hochhäuser u. Städtebau, von Camoes eine am Kap Guardafui
gedichtete Kanzone von großem melodischem Atem, eine sehr schwierige ägyptische
Inschrift über Kreditgeschäfte, die ich früher missverstanden habe, dann 24
lappische Melodien und Sprüche von der ersten Schönheit!.....30. Juni 1940
Ich bin nichts als ein Phantast, Tagedieb, Betbruder, Bettelmann - verachtet
zu Lebzeiten wie ichs will, aber von meinem Atem werden noch Generationen zehren!!
.. - Hans Jürgen von der Wense, Von Aas bis Zylinder, Bd. I. Frankfurt
am Main 2005
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