Ferstoßung  Es stimmt, vor etwa anderthalb Jahren hatte sie mich vor die Tür gesetzt; aber dadurch, daß man gewisse Vorkommnisse mit Stillschweigen bedeckt, gelingt es einem, sie fast ungeschehen zu machen, wenn gewisse brave Seelen - nicht wahr, Marie? - sie einem nicht unversehens in Gegenwart von zehn Personen ins Gedächtnis zurückriefen.

Elise hatte wahrhaftig an jenem Tage in meiner Abwesenheit - während eines unserer Donnerstagsessen - vier Stunden damit verbracht, meine Bündel zu schnüren. Und was für Bündel! Als ich gegen vier Uhr heimkam, ein Unschuldslamm, das auf nichts Arges gefaßt war, sah ich sie schon von weitem neben der Tür aufgestapelt. «Was mag das sein?» fragte ich mich. «Was geht hier vor?» Das waren keine gewöhnlichen Gepäckstücke, das waren Packen und Ballen, wie man sie nur auf dem Rücken der Vorstadt-Lumpensammler erblickt, im Morgengrauen, oder um die Dämmerung in den Armenvierteln auf den Schultetn der Bettler oder Clochards. Ich hatte nicht einmal Anrecht auf einen Koffer, wie das kleine Hausmädchen, das EUse in flagranti ertappt und fristlos entlassen hatte und das seine Bürde aus einem schäbigen, anrüchigen Hotel ins andere schleppte. Meine Anzüge, liebe Elise, hattest du, ohne ihre Bügelfalten zu respektieren, mit den Hüten, den Schuhen, den Manuskripten, den Tintenfässern zusammengestampft und alles untereinander in grobgenähte Packleinwandsäcke gestopft. Und in diesem Aufzug wolltest du mich abgeheuert von Bord gehen sehen? Aber am Fensterchen welcher Spelunke hätte ich mich so ausstaffiert blicken lassen dürfen? Welcher Herbergswirt hätte mich aufgenommen?   - Marcel Jouhandeau, Elise. Reinbek bei Hamburg 1968 (zuerst 1933 ff.)

Verstoßung (2)

- Georges Pichard

Verstoßung (3) «Hab ich Ihnen von dem Anwalt erzählt, mit dem ich mal in Coconut Grove zusammengelebt hab?» Dale wischte sich mit nassen Händen durch die Augen und mußte dann die trockene Ecke eines Geschirrtuchs benutzen, um die Seife aus den Augen zu entfernen. «Zwei Monate hatte ich mit ihm in seinem Apartment gewohnt, wissen Sie, und ich dachte, er hätte mich wirklich gem. Herrgott, jeden Morgen, bevor er in sein Büro ging, hab ich ihm einen geblasen, und nie hat er sich bei mir beschwert. Dann, eines Nachts, es war schon nach Mitternacht, sagte er: ‹Hol deinen Mantel.› Ich hatte ein Nachthemd an; also fing ich an, mich anzuziehen. Da sagte er: ‹Nein, nur den Mantel.› Ich hatte einen Pelzmantel, den er mir geschenkt hatte, aber den hatte ich noch nie getragen. Es war 'n guter Pelz - gefärbtes Kaninchen -, aber hier unten braucht man nie einen Pelzmantel. Jedenfalls, ich zog ihn über mein Nachthemd und schlüpfte in ein Paar Sandalen. Ich hatte kein Höschen, keine Strumpfhose und auch sonst nichts weiter an. Nur das Nachthemd und den Pelzmantel. Wir stiegen in seinen Mercedes, und er fuhr in die Stadt, zum Biscayne Boulevard, und da hielt er an und befahl mir, auszusteigen. Nichts weiter. Kein Wort des Lobes oder des Dankes - nichts. Und das nach zwei Monaten. Ich hatte keine Handtasche, keine Kleider, kein Geld, nichts. Zu meinem Glück hielt gleich, nachdem er weggefahren war, ein anderes Auto an -ein Versicherungsmann aus Hialeah. Wir fuhren zu einem Motel in der 79th Street, und ich war wieder im Geschäft.»   - Charles Willeford, Seitenhieb. Reinbek bei Hamburg 1996
 
 

Loswerden Eheleben

 

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