ermenschlichung
Eine Stute hatte für ihre Futterkrippe Spiegel
verlangt. Sie riß sie mit den Zähnen im Schlafzimmer ihres Herrn von der Wand,
und dreiteilige Spiegel, die nicht nach ihrem Geschmack waren, zertrümmerte
sie mit Fußtritten. Als man ihrer Laune nachgegeben hatte, ließ sie deutlich
sichtbare Anzeichen von Eitelkeit erkennen. Balios, zu seiner Zeit das schönste
Fohlen der ganzen Gegend, ein eleganter, feinfühliger Schimmel, der zwei Feldzüge
mitgemacht hatte und freudige Erregung zeigte, wenn epische Heldengedichte vorgetragen
wurden, war kürzlich aus Liebeskummer gestorben. Die Angebetete war die Frau
seines Herrn, eines Generals, gewesen. Dieser machte daraus nicht etwa ein Geheimnis,
im Gegenteil, man durfte sogar glauben, daß es seiner Eitelkeit schmeichelte,
was andererseits in der Pferdemetropole durchaus natürlich war. Es kamen sogar
Fälle von Kindestötung vor, und als sich diese in alarmierender Weise häuften,
war man gezwungen, die Füllen alten Mauleselinnen zur Adoption zu geben. Ferner
entdeckten die Tiere eine Vorliebe für Fisch und Hanf. Hanffelder wurden von
ihnen völlig verwüstet. Schließlich gab es auch einzelne Fälle von Rebellion,
und da der Widerstand nicht mehr mit der Peitsche gebrochen werden konnte, mußte
man sich des glühenden Eisens bedienen. Solche Fälle traten immer häufiger auf,
weil der Trieb der Auflehnung von Mal zu Mal zunahm. - Leopoldo Lugones, Die Pferde
von Abdera. In: L.
L., Die Salzsäule. Stuttgart 1984 (Die Bibliothek von Babel 15, Hg. Jorge Luis
Borges)
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