erlangen Im sechshundertneunundneunzigsten Stockwerk dieses unterirdischen hauses befindet sich ein großes orgelzimmer. Dort hinunter führte das monster die kleine Alice. ›Kannst du auf der orgel spielen?‹ fragte das monster. ›Ein wenig schon‹, antwortete Alice, ›wenngleich auch nicht perfekt!‹ ›So spiele mir also etwas vor‹, sagte das monster, ›denn ich liebe die musik sehr!‹
Alice setzte sich vor die orgel, aber siehe da, die tasten des riesigen instrumentes lagen so hoch, daß sie sie unmöglich erreichen konnte. ›Ich
vermag nicht bis an das register und die tasten zu langen!‹ seufzte Alice.
›Na, dann setze ich mich eben hin und du, winzige Grete, nimmst auf meinem
schoße platz!‹ sagte das tückische monster, denn es trug nicht nur verlangen
nach musik in seinem künstlichen sinn ... -
H. C. Artmann, Frankenstein in Sussex. Frankfurt am Main 1969 (es 320)
Verlangen (2) Lucius Catilina, aus vornehmem Geschlecht,
besaß große Geisteskraft und Körperstärke, aber schlimme und verkehrte
Charakterzüge. Ihm waren von jung auf Bürgerkriege, Mord, Raub, Zwietracht
im Staat willkommen, und darin übte er seine Jugend. Sein Körper konnte
Hunger, Kälte, Wachen ertragen, mehr als jemandem glaublich ist. Sein Geist
war kühn, hinterlistig, wendig. Er log und trog in allem, war nach fremdem
Gut gierig, mit eigenem verschwenderisch, brennend vor Leidenschaften;
genügend war seine Beredsamkeit, seine Weisheit zu gering. Sein weitschweifender
Geist suchte immer das Unmögliche, Unwahrscheinliche, allzu Hohe. Ihn hatte
nach der Herrschaft des Lucius Sulla mächtiges Verlangen gepackt, die Macht
im Staat an sich zu reißen, und es kümmerte ihn keinen Deut, auf welche
Weise er dies erreichen würde, wenn er nur die Alleinherrschaft erlange.
Von Tag zu Tag wurde er mehr und mehr umgetrieben durch seine finanzielle
Notlage und das Wissen um seine Vergehen - beides hatte er durch die oben
erwähnten Eigenschaften noch vermehrt. Es verleiteten ihn außerdem die
verdorbenen Sitten der Bürger, welche die schlimmsten, einander entgegengesetzten
Übel, Luxus und Habsucht, heimsuchten. - Sallust, Verschwörung des
Catilina (zuerst ca. 40 v. u. Z.)