ergebung Nur das eine möchte ich bemerken, daß zu der für uns in Betracht kommenden Zeit der Zwangszölibat des Klerus in den der lateinischen Kirche unterstellten Ländern zwar meistenteils anerkannt war, daß derselbe aber nicht mit jener Keuschheit sich verband, die die Urheber des Zölibatsgebotes sich so zuversichtlich davon versprochen hatten. Der durch die Ehe gestatteten gesetzlichen Befriedigung der natürlichen Triebe des Mannes beraubt, unterhielt der Priester anstelle einer Ehefrau im besten Falle eine Konkubine, im schlimmsten Falle aber eine Reihe von Liebschaften, zu denen ja das Amt des Priesters und Beichtvaters reichlich Gelegenheit bot. Und dies war so allgemein bekannt, daß sogar einem Manne, welcher eine unerlaubte Liebschaft beichtete, verboten wurde, seine Mitschuldige namhaft zu machen, damit nicht der Beichtvater in Versuchung käme, seine durch die Beichte erlangten Kenntnisse zur gleichen Sünde zu mißbrauchen. Kaum war es der Kirche gelungen, die Verehelichung ihrer Diener zu unterdrücken, so finden wir sie auch schon überall und unaufhörlich mit der augenscheinlich unlösbaren Aufgabe beschäftigt, ihre Diener zur Keuschheit anzuhalten, eine Aufgabe, die bekanntlich bis heute noch ihrer Erledigung harrt. Wohl war ja das Zeitalter, in welchem wir uns befinden, nicht gerade besonders empfindlich in bezug auf die weibliche Tugend; aber trotzdem konnte sich auch damals ein Klerus, der asketische Reinheit als eine wesentliche Vorbedingung für sein Amt bezeichnete, aber in der Praxis sich noch zynischeren Ausschweifungen hingab als die meisten Laien, wenig Achtung beim Volke erwerben, abgesehen von jenen Fällen, wo der Friede und die Ehre der Familie der Lust des Hirten zum Opfer fiel und dadurch bitterste Feindschaft entstand.
Was die noch dunkleren
und beklagenswerteren Verbrechen angeht, so waren sie häufig genug, und zwar
nicht nur in den Klöstern, von denen die Frauen streng ausgeschlossen waren;
außerdem waren diese Laster meist auch straffrei. Nicht das kleinste Übel, das
sieh mit der künstlichen, dem Klerus so ostentativ auferlegten Askese verband,
war die Aufstellung eines ganz falschen, für die Laien wie fur die Kirche unendlich
schädlichen Sittenkodexes. Solange nämlich ein Priester den kanonischen Gesetzen
nicht durch Heirat trotzte, konnte ihm alles vergeben werden. - Henry
Charles Lea, Die Inquisition. Hg. Joseph Hansen. Frankfurt am Main 1985 (Die
Andere Bibliothek 6, zuerst 1887)
Vergebung (2) Die Beziehung auch der gottesfürchtigsten Juden zum Allmächtigen ist von bemerkenswerter Intimität und Direktheit. Die Gebete, die sie in aller Unbefangenheit an ihn richten, sind oft mit Beschwerden, Ironie und kritischen Fragen gespickt. So zum Beispiel auch in der folgenden alten Geschichte:
Am Vorabend des Versöhnungstages Jom Kippur des höchsten Feiertags der Juden,
blickt ein alter Jude zum Himmel auf und seufzt: »Hör zu, lieber Gott, ich,
Herschel der Schneider, muss Dir mal etwas sagen! Schepsel, der Fleischer in
unserem Dorf, ist ein guter Mann, sehr anständig, betrügt niemanden, gibt einem
immer das volle Gewicht, hat noch nie einen Bedürftigen von seiner Schwelle
gewiesen und ist doch selbst so bitter arm, dass er und seine Frau sich nie
Fleisch leisten können. Unser Schuhmacher Fischl ist ein Vorbild an Freundlichkeit
und Frömmigkeit für uns alle, aber seine geliebte Mutter leidet schreckliche
Schmerzen und muss sicher bald sterben. Und Reb Label, unser melamed
(Lehrer), der alle seine Schüler herzlich liebt und von allen, die ihn kennen,
ebenfalls herzlich geliebt wird, lebt von der Hand in den Mund, hat keinen einzigen
anständigen Anzug und leidet neuerdings an einer Augenkrankheit, die ihn womöglich
noch blind macht! Also, lieber Gott, jetzt frage ich Dich ganz direkt, in dieser
heiligsten aller Nächte: Ist das gerecht? Ich wiederhole: Ist das gerecht? Also,
Herr, wenn Du uns morgen, an unserem heiligen Jom Kippur vergibst — dann
werden wir Dir auch vergeben!« - (
ji
)
Vergebung (3) Viel wird uns vielleicht
vergeben werden, weil wir nicht geliebt haben, weil wir rein
waren. Die Einsamkeit zu besiegen oder es zu versuchen oder sich einzubilden,
man tue es, ist das nicht Feigheit und Verrat? Und warum laufen dann auch die
Besten fiebernd der Liebe nach? Ich meine, indem sie in sich die Liebe zum andern
suchen, nicht um die des andern betteln. Die Mehrheit jedenfalls glaubt zu lieben,
auch wenn ihre Gefühle schwächer sind als die der Minderheit; diese weiß, daß
nicht einmal ihre heftigsten Gefühle der Zuneigung Liebe sind: Wer ist nun der
Vergebung würdiger, aufweicher Seite findet sich die Reinheit? Auf der Seite
der Ahnungslosigkeit oder der der Bewußtheit? Im übrigen ist Ahnungslosigkeit
ein schiefer Begriff, denn zu glauben, daß man liebt, heißt bereits lieben oder
genügt zumindest dem Erscheinungsbild der Liebe; die Liebe verwirklicht und
erschöpft sich hier im Akt der Liebe selbst, und es finden weder explizite noch
implizite Überlegungen statt, so daß (um zur Sache zu kommen) die zu dieser
Mehrheit Gehörenden die wahrhaft Reinen zu sein scheinen. Aber auch die Bewußtheit
hat, bei genauerer Betrachtung, keine Überlegungen nötig: Sie ist eher eine
Berufung, ein Fluch, eine aufgezwungene Fähigkeit; das Unvermögen zu lieben
wäre allenfalls ein radikales oder fundamentales Gefühl, sozusagen sich selbst
genügend, und nicht bereits ein negativer Wert (um Verwirrungen im allgemeinen
Sprachgebrauch zu vermeiden, könnte man vielleicht von einer Vorbewußtheit sprechen,
der zu gegebener Zeit die zur eigentlichen Bewußtheit gehörenden Überlegungen
folgen). Kurz, es bleibt die letzte Frage: Wem wird vergeben werden, dem, der
geliebt hat, oder dem, der nicht geliebt hat? Oder noch einmal: der Bewußtheit
oder der Liebe? Oder endlich: Sollte der Gott, der den Mangel an Liebe bestraft,
beabsichtigen, genau diesen zu strafen oder nicht vielmehr die Bewußtheit selbst?
(Mit einer brillanten Rückkehr zu der allgemein bekannten Behauptung, daß die
Bewußtheit schon in sich Schuld sei.) Sicher, die Liebe scheint sich der Bewußtheit
entgegenzustellen und umgekehrt. - (
land3
)
Vergebung (4)
Vergebung (5)
Vergebung (6) Ein homosexueller Demonstrant warf Anita Bryant eine Bananencremetorte ins Gesicht, als die Sängerin eine Pressekonferenz gab.
Sie brach in Tränen aus und, während noch die Bananencreme von ihr abtropfte, begann sie mit ihrem Gatten Bob Green um Vergebung für ihren Angreifer zu beten.
Als Green mit Beten fertig war, folgte er dem Angreifer und seinen Freunden
auf den Parkplatz, nahm einem von ihnen eine andre Cremetorte
weg und warf sie ihm ins Gesicht. - (pet)
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