erbeugung  Von Susannes Geschlecht geht jetzt ein leicht säuerlicher Geruch aus, der Susanne wahrscheinlich nicht recht ist, mich aber anregt. Im Bett riecht es plötzlich wie nach der fast immer offenstehenden Brotschublade in der Küche meiner Mutter. Susanne schaut mich an, am liebsten würde ich ihre Bänglichkeit zerstreuen und ihr sagen: Beruhige dich, du duftest wie nach einer guten alten Bäckerei. Vermutlich wäre Susanne auch mit diesem Bild nicht einverstanden. Es ist verboten, unseren nach Erhabenheit verlangenden Liebeseifer mit einer Alltagsidee zu beeinträchtigen. Ich drehe mich um und öffne Susannes Beine. Mit dem Hinterteil lasse ich mich aus dem Bett rutschen. Susanne merkt, was ich vorhabe, und schiebt mir ihren Unterleib entgegen. Sie spreizt die Beine, so weit sie kann. Ich beuge mich über sie und küsse ihr säuerliches Geschlecht. Erst dadurch kann ich ausdrücken, daß ich gegen den Brotgeruch der Liebe nichts einzuwenden habe, im Gegenteil. Susanne wimmert leise und hält mit beiden Händen meinen Kopf. Mit nach vorne zugespitztem Mund sauge ich die Schamlippen in meinen Mundinnenraum und lasse sie beim Hinausgleiten über die untere Zahnreihe rutschen.

Genau in diesen Augenblicken fällt mir Himmelsbach ein. Ich sehe ihn und Margot durch die Stadt ziehen. Es ist, als würde mein Liebesanfang mit Susanne ein weiteres Mal gestört. Ich verhöhne Himmelsbach und seine schülerhaften Annäherungsversuche. Ich lasse Susannes Schamlippen aus meinem Mund gleiten und denke: Siehst du, Himmelsbach, so macht man das. Ich küsse Susannes Geschlecht länger als vorgesehen. Die Überzeit gilt der Wiederaustreibung Himmelsbachs aus meinem Bewußtsein. Weil ich nicht weiß, ob sie mir gelingt, bricht mir am Hals und am Kopf Schweiß aus. Wenn es so weitergeht, werden Susanne und ich einen dritten Liebesanfang benötigen. Ich weiß nicht, was ich tun soll, um nicht mehr an Himmelsbach zu denken. Es bleibt mir nur das langsam schwächer und leerer werdende Vertieftsein in Susannes Geschlecht. Ich habe dabei die Vorstellung, daß ich laufend kleine Verbeugungen vor dem Leben mache. Und gleichzeitig beuge ich damit das Leben selbst. Es entsteht zwischen Susannes Beinen die Hoffnung, daß ich das Leben eines Tages werde genehmigen können, wenn ich mich oft genug vor ihm verbeugt haben werde. Am Ende soll nicht mehr unterscheidbar sein, ob ich mich vor dem Leben verbeuge oder dieses selbst gebeugt habe. Dann würde endlich meine unglaubliche Langmut den Sieg davontragen. Offenbar habe ich Erfolg mit meiner Verbeugungsidee. Himmelsbach verschwindet aus meinen Gedanken, ich rede nicht mehr an ihn hin. Vielleicht ist es auch der Brotgeruch von Susannes Erregung, der mein Geschlecht wieder fest werden läßt. Ich stelle mich auf und schiebe Susannes Körper etwas mehr in die Mitte des Bettes. Sie hält diesmal still, so daß ich ohne Komplikationen in sie eindringen kann. Das Frohlocken kurz nach einem drohenden Scheitern ist das Stärkste. Meine Stöße sind wie vollendete Verbeugungen, jetzt auch vor der Liebe. Susanne fiept jetzt wie ein kleines Tier. Es ist, als würde sie nie wieder richtige Worte sagen wollen.   - Wilhelm Genazino, Ein Regenschirm für diesen Tag. München 2003 (zuerst 2001)

Verbeugung (2)

GESANG VON EINER GELIEBTEN

1. Ich weiß es, Geliebte: jetzt fallen mir die Haare aus vom wüsten Leben, und ich muß auf den Steinen liegen. Ihr seht mich trinken den billigsten Schnaps, und ich gehe bloß im Wind.

2. Aber es gab eine Zeit, Geliebte, wo ich rein war.

3. Ich hatte eine Frau, die war stärker als ich, wie das Gras stärker ist als der Stier: es richtet sich wieder auf.

4. Sie sah, daß ich böse war, und liebte mich.

5. Sie fragte nicht, wohin der Weg ging, der ihr Weg war, und vielleicht ging er hinunter. Als sie mir ihren Leib gab, sagte sie: Das ist alles. Und es wurde mein Leib.

6. Jetzt ist sie nirgends mehr, sie verschwand wie die Wolke, wenn es geregnet hat, ich ließ sie, und sie fiel abwärts, denn dies war ihr Weg.

7. Aber nachts, zuweilen, wenn ihr mich trinken seht, sehe ich ihr Gesicht, bleich im Wind, stark und mir zugewandt, und ich verbeuge mich in den Wind.

- (breg)

Verbeugung (3) Die Cirkusverbeugungen in ihrer Finesse erlebt man so nur im Cirkus. Es sind Verbeugungen mit Etikette, die nicht einmal in den höfischen Salons diese Anmut haben; sie sind besser als alle Louis-Quinze-Verbeugungen. - (cirkus)
 
Verehrung Höflichkeit
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