erbannung
«Er ist Soldat», Luba meint einfach Tschitscherin, «und weit weg von zu Hause.»
In den wilden Osten versetzt und bisher hier geblieben, ruhig und ausdruckslos
und offensichtlich unter einem offiziellen Bannfluch. Die Gerüchte darüber sind
so extravagant wie dieses Land hier lustlos. Die unteren Dienstgrade im Gemeinschaftsraum
sprechen von einer Frau: einer staunenswerten sowjetischen Kurtisane,
die weißes Kitzleder auf dem Körper trug und sich ihre wundervollen Beine jeden
Morgen bis hinauf zum Nabel rasierte. Die pferdefickende Katharina, hermelinverhüllt
und strahlend, auferstanden im Stil der Zeit. Ihre Liebhaber reichten von Ministern
bis hinab zu Rängen wie Hauptmann Tschitscherin, die ihr natürlich am ergebensten
waren. Während Neo-Potjomkins die Weite der Arktis für sie ausbeuteten, geschickte
und technokratische Wölfe in den Tundren Siedlungen aus dem Boden stampften,
städtische Abstraktionen, geboren aus Eis und Schnee, weilte der kühne Tschitscherin
in der Hauptstadt, versteckt in ihrer Datscha, wo sie Fischersmann und Fisch
zusammen spielten, Terrorist und Staat, Forscher und Rand der wellengrünen Welt.
Als sie endlich offizielle Aufmerksamkeiten auf sich zogen, bedeutete das für
Tschitscherin nicht den Tod, noch nicht einmal das Exil - aber doch eine gewisse
Ausdünnung seiner Karrierechancen: so verliefen die Vektoren nun einmal in jenen
Tagen. Zentralasien für den größten Teil seiner Mannesjahre. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
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