rteilskraft Es ist angenehm, beliebt und aufmunternd, Ähnlichkeiten unter ungleichartigen Dingen aufzufinden und so, was der Witz tut, für den Verstand Stoff zu geben, um seine Begriffe allgemein zu machen. Urteilskraft dagegen, welche die Begriffe einschränkt und mehr zur Berichtigung als zur Erweiterung derselben beiträgt4, wird zwar in allen Ehren genannt und empfohlen, ist aber ernsthaft, strenge und in Ansehung der Freiheit zu denken einschränkend, eben darum aber unbeliebt. Des vergleichenden Witzes Tun und Lassen ist mehr Spiel; das der Urteilskraft aber mehr Geschäfte. - Jener ist eher eine Blüte der Jugend, diese mehr eine reife Frucht des Alters. - Der im höheren Grade in einem Geistesprodukt beide verbindet, ist sinnreich (perspicax).
Witz hascht nach Einfällen; Urteilskraft strebt nach Einsichten.
Bedachtsamkeit ist eine Burgemeistertugend (die Stadt, unter dem Oberbefehl
der Burg, nach gegebenen Gesetzen zu schützen und zu verwalten). Dagegen, kühn
(hardi), mit Beiseitesetzung der Bedenklichkeiten der Urteilskraft, absprechen,
wurde dem großen Verfasser des Natursystems, Buffon, von seinen Landsleuten
zum Verdienst angerechnet, ob es zwar als Wagstück ziemlich nach Unbescheidenheit
(Frivolität) aussieht. - Der Witz geht mehr nach der Brühe, die Urteilskraft
nach der Nahrung. Die Jagd auf Witzwörter (bons mots), wie sie der Abt
Trublet reichlich aufstellte, und den Witz dabei auf die Folter spannte, macht
seichte Köpfe, oder ekelt den gründlichen nach gerade an. Er ist erfinderisch
in Moden, d, i. den angenommenen Verhaltungsregeln, die nur durch die
Neuheit gefallen, und, ehe sie Gebrauch werden, gegen andere Formen, die eben
so vorübergehend sind, ausgetauscht werden müssen. - Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer
Hinsicht (zuerst 1798/1800)
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