Urteil (1) Im Namen des Volkes. Der Angeklagte wird wegen fortgesetzter Beleidigung zu einer Geldstrafe von acht Tagessätzen zu je dreißig DM verurteilt, im übrigen freigesprochen. Gründe: Der Angeklagte hat zu seinem Leidwesen mit seiner Sexualität ab und zu Probleme. In der Nacht vom 17. zum 18. November 1982 begab er sich in den Tiergarten und zeigte dort der Marion Brand und der Sabine Brecht, die dort als Prostituierte auf Kundschaft warteten, sein steifes Glied. Als die beiden zu ihm sagten, er solle "abhauen" und sie nicht in ihrem sogenannten Gewerbe stören, beschimpfte er sie mit den Worten Hure und Miststück.

Der Angeklagte hat diesen Sachverhalt in der Hauptverhandlung glaubhaft zugegeben. Die Staatsanwaltschaft hat ihn als fortgesetzte Beleidigung nach § 185 und als fortgesetzte exhibitionistische Handlung nach § 183 StGB anzusehen. Richtig ist, dass die Ausdrücke, die der Angeklagte verwendete, beleidigend sind, auch das Wort Hure, weil 'Hure' zwar eigentlich nichts anderes bedeutet als Prostituierte, heute aber nur noch als Schimpfwort gebraucht wird. Der Tatbestand des § 183 StGB ist jedoch nicht erfüllt. Normalerweise hätte sich der Angeklagte durch seine Handlung schon als Exhibitionist strafbar gemacht, denn seine Handlung ist durchaus geeignet, bei den Betrachtern Abscheu und Ekel hervorzurufen oder zumindest das Schamgefühl zu verletzen... Bei Prostituierten, nachts im Tiergarten, liegt das aber anders. Von steifen Gliedern sind sie in ihrem seelischen Befinden nicht zu beeinträchtigen, im Gegenteil: so etwas gehört als wesentlicher Bestandteil zu ihrem Gewerbe... Für die Beleidigung genügt eine kleine Geldstrafe, auch schon deshalb, weil der Angeklagte wegen der Tat bereits andere erhebliche Nachteile gehabt hat. Er wurde nämlich, wie er in der Hauptverhandlung glaubhaft gesagt hat, von einem Mann, vermutlich von dem Zuhälter der einen Prostituierten, mörderisch verprügelt. Warnstädt.  -  Rüdiger Warnstädt, Recht so. 80 originale Strafurteile aus dem Kriminalgericht Moabit. Verlag das Neue Berlin, Berlin 2003

Urteil (1) (2)  Marie-Marguerite d'Aubray, die Gattin des Herrn Marquis von Brinvillier, wird hiermit für überführt und überwiesen erklärt, ihren Vater, Herrn Dreux d'Aubray, und ihre beiden Brüder, Herrn Antoine d'Aubray, Requetenmeister und Zivilleutnant zu Paris, und Herrn d'Aubray, Parlementsrat, vergiftet und ihrer verstorbenen Schwester nach dem Leben getrachtet zu haben. Sie wird daher zur wohlverdienten Strafe verurteilt, barfuß, mit einem Strick um den Hals und einer zwei Pfund schweren brennenden Kerze in der Hand auf einem Karren an die Türe der Hauptkirche zu Paris gebracht zu werden, um daselbst Kirchenbuße zu tun und auf ihren Knien öffentlich zu bekennen, daß sie schändlicherweise sowohl aus Rachsucht als aus Geldgier ihren Vater und ihre zwei Brüder vergiftet und ihrer Schwester nach dem Leben getrachtet habe. Von da soll sie auf die Place de Grève geführt und ihr auf einem dazu errichteten Schafott der Kopf abgeschlagen, ihr Körper verbrannt und die Asche in die Luft gestreut werden. Zuvor aber soll sie noch auf die ordentliche und außerordentliche Folter gebracht werden, um ihre Mitschuldigen anzugeben. Zugleich wird sie der Hinterlassenschaft ihres Vaters, ihrer Brüder und ihrer Schwester von dem Tage ihres Verbrechens an für verlustig erklärt, und ihr gesamtes Vermögen soll von der Behörde eingezogen werden. Davon und von demjenigen Teil ihrer Güter, die der Konfiskation nicht unterworfen sind, sollen 4 000 Livres zu einer Buße an den König, 5 000 Livres an die Kapelle des Parlementsgefängnisses zu Seelenmessen für die Ruhe ihres verstorbenen Vaters, ihrer Brüder und ihrer Schwester, 10 000 Livres zur Schadloshaltung für Frau von Villarceau, die Witwe Herrn d'Aubrays, und überhaupt alle Unkosten des Prozesses abgezogen und bezahlt werden. - (pit)

Urteil (1) (3)  Der Gerichtshof erklärt Robert François Damiens schuldig und überführt des Verbrechens der Majestätsbeleidigung für den schändlichen und verabscheuungswürdigen, an der Person des Königs begangenen Vatermord und verurteilt dafür genannten Damiens, Buße zu tun vor der Hauptpforte der Kirche von Paris, wohin er geführt werden soll in einem Karren, nackt bis auf das Hemde, eine brennende Wachskerze von zwei Pfund Schwere in der Hand; und dort soll er auf den Knien sagen und erklären, daß er schändlicher- und verräterischerweise den besagten schändlichen und verabscheuungswürdigen Vatermord begangen und den König durch einen Messerstich in die rechte Seite verwundet hat, was er bereut und wofür er Gott, den König und die Gerechtigkeit um Verzeihung bittet; wenn dies geschehen, soll er in besagtem Karren auf den Grèveplatz geführt und auf einem Schafott, das dort aufgerichtet sein wird, an Brust, Armen, Schenkeln und Waden mit glühenden Zangen gerissen werden; seine rechte Hand, das Messer, mit dem er den besagten Mord begangen hat, haltend, soll an Schwefelfeuer verbrannt werden; und in die Stellen, an denen er mit Zangen gerissen, soll geschmolzenes Blei, siedendes Öl und brennendes Pechharz, Wachs und geschmolzener Schwefel zusammen gegossen und darauf sein Körper von vier Pferden auseinandergerissen, Glieder und Rumpf dem Feuer übergeben, zu Asche verbrannt und letztere in alle Winde geworfen werden. Wir erklären seine Güter, bewegliche und unbewegliche, wo sie auch seien, zu Nutzen des Königs konfisziert. Befehlen, daß vor besagter Hinrichtung besagter Damiens auf die gewöhnliche und außergewöhnliche Folter gebracht werde, damit er seine Mitschuldigen bekenne. Befehlen, daß das Haus, in dem er geboren, niedergerissen werde, ohne daß jemals in Zukunft auf demselben Grunde ein anderes Gebäude errichtet werden dürfe.  So geschehen im Parlament vor versammelter großer Kammer, am 26. März 1757. - Henry Sanson, Tagebücher der Henker von Paris. 1685 - 1847

Urteil (1) (4)  »Du hast mir also aufgelauert!« rief Georg.

Mitleidig sagte der Vater nebenbei: »Das wolltest du wahrscheinlich früher sagen. Jetzt paßt es ja gar nicht mehr.«
Und lauter: »jetzt weißt du also, was es noch außer dir gab, bisher wußtest du nur von dir! Ein unschuldiges Kind warst du ja eigentlich, aber noch eigentlicher warst du ein teuflischer Mensch! - Und darum wisse: Ich verurteile dich jetzt zum Tode des Ertrinkens!«
Georg fühlte sich aus dem Zimmer gejagt, den Schlag, mit dem der Vater hinter ihm aufs Bett stürzte, trug er noch in den Ohren davon. Auf der Treppe, über deren Stufen er wie über eine schiefe Fläche eilte, überrumpelte er seine Bedienerin, die im Begriffe war heraufzugehen, um die Wohnung nach der Nacht aufzuräumen. »Jesus!« rief sie und verdeckte mit der Schürze das Gesicht, aber er war schon davon. Aus dem Tor sprang er, über die Fahrbahn zum Wasser trieb es ihn. Schon hielt er das Geländer fest, wie ein Hungriger die Nahrung. Er schwang sich über, als der ausgezeichnete Turner, der er in seinen Jugendjahren zum Stolz seiner Eltern gewesen war. Noch hielt er sich mit schwächer werdenden Händen fest, erspähte zwischen den Geländerstangen einen Autoomnibus, der mit Leichtigkeit seinen Fall übertönen würde, rief leise: »Liebe Eltern, ich habe euch doch immer geliebt,« und ließ sich hinfallen.
In diesem Augenblick ging über die Brücke ein geradezu unendlicher Verkehr. - Franz Kafka, Das Urteil. Nach (kaf)

 

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