nzählbarkeit  Beim Schabenvolk hatte die Wasserung der gemordeten Gefährtin großen Aufruhr hervorgerufen; dieselben Tiere, die sich zuvor noch träge von den Wellen hatten wiegen lassen, bewegten sich nun ungestüm im Wasser, regten ihre langen Fühler, zuckten, stießen sich gegenseitig, kletterten übereinander. Einer merkte es schließlich; und da ließ man angesichts der drohenden Gefahr den Variago frei, und alle baten ihn, sie zu retten.

Doch zu spät: schon kam eine ganze lange Reihe von Schaben ein Tau heraufgekrochen, das bis ins Wasser hing, und überflutete das Deck. Andere Schaben kamen über die Reling und vereinigten sich mit denen. An eine Rettung war nicht zu denken: wie viele auch immer die von panischer Angst ergriffenen Männer erschlugen, stets erschien mindestens die doppelte Anzahl als Ersatz.

«Ihr verdammten Kerle, wir sind verloren!» schrie der Variago. «Die Schaben sind wild geworden. Rette sich, wer kann!»

In kurzer Zeit war das Deck von Schaben überschwemmt, und nach denen, die unter Deck ihre Zuflucht suchten, ergossen sich riesige Mengen durch die Luken; solcherart kamen viele im Innern des Schiffes um, weil sie wegen der Schaben nicht mehr herauskonnten, die jede Öffnung versperrten und langsam, eine über der anderen, eindrangen, bis die Männer begraben waren. Wer oben geblieben war, kämpfte verbissen, doch völlig erfolglos. Denn auch dessen Lage wurde immer kritischer; die Schaben gingen ihnen jetzt in mehreren Schichten bis an die Knie, um gar nicht erst von denen zu sprechen, die den Körper der Männer erklommen; nur mühsam und nur für kurze Zeit konnten sie ihr Gesicht schützen. Gegen dieses zahllose Geschlecht war nichts zu machen; für jede Tote rückten von überallher zehn, nein, tausend andere nach. Einer sprang ins Meer und kam unter den Gefährtinnen der Angreiferinnen ums Leben. Die Schaben drangen von allen Seiten herbei, kletterten wo auch immer hinauf, füllten jedweden Hohlraum, hingen von Tauen und Bespannungen, färbten die Segel schwarz.

Lucrezia stand auf dem Hinterdeck, schlug um sich, wehrte sich so gut sie konnte; aber schon ließen ihre Kräfte nach. Zudem versetzte sie der Widerwille in einen Zustand tiefen Elends und dumpfer Niedergeschlagenheit, so daß ihr alles Blut aus dem Gesicht wich und sie schon nahe daran war, sich verloren zu geben: reichten ihr doch die Schaben bis an die Hüften, erklommen ununterbrochen Brust und Rücken, nisteten sich in den Haaren ein, krabbelten über die Stirn. Sie waren zwischen ihren Beinen, füllten ihre Achselhöhlen, drückten auf ihre Lippen, würden bald schon in ihrem Mund sein . . .  - Tommaso Landolfi, Das Meer der Schaben, nach (land)