ntier   Die vier Schaluppen kamen rasch zu Wasser; diejenige Ahabs an der Spitze, ruderten alle geschwind auf das Untier an. Bald sackte es von neuem weg, und während wir innehielten, um sein Wiederauftauchen abzuwarten, siehe da, an derselben Stelle, wo es verschwunden war, kam es abermals langsam hoch. Jeder Gedanke an Moby Dick war uns vorübergehend entfallen, während wir gebannt auf die wundersamste Erscheinung starrten, die der geheime Urgrund des Meeres jemals dem Blick des Menschen preisgegeben hat. Eine ungeheure, schwammige Masse von sahnig schimmernder Färbung, Hunderte von Metern lang und breit, lag auf dem Wasserspiegel, mit zahllosen langen Fangarmen, die von der Mitte ausgingen und sich wie ein Knäuel von Riesenschlangen krümmten und wanden, als suchten  sie blindlings alles zu umgarnen, was in ihren unseligen Bereich geriete. Von einem Gesicht war nichts zu bemerken, überhaupt kein Vorn und Hinten, keinerlei Anzeichen irgendwelcher noch so triebhafter Sinne; nichts als eine auf den Dünungshügeln wogende, willkürliche und gestaltlose Zusammenballung unheimlichen Lebens.    - (mob)

Untier (2)    Von niemandem gehindert, von niemandem erwartet brachen die grönländischen Untiere ein, diese abenteuerlichen, den Menschen gräßlichen Wesen, Mißschöpfungen einer unmäßigen Kraft, die über Grönland aus dem schrecklichen Flammenschleier blies. Rudel der keuchenden blasenden Wesen ruderten flogen über den Ozean, straßenlange Reptilien, schwarzbäuchig, manche schillernd beschuppt, manche mit scheckiger Haut und breiten stumpfen Mäulem, manche wie Krokodile gepanzert. Dann Vogeltiere mit langen spitzen Zähnen, die in Doppelreihen standen. In Haufen zogen sie an, einzeln wie Festungen und Schiffe, eine Masse von Felsen Baumwaldungen Tieren  mit sich schleppend. Sie schwärmten an, verhüllt unter den Waldungen auf ihren Rücken; mit den Füßen rissen sie sich die Moose und .Schachtelhalme ab, die über ihre Augen wucherten. Bisweilen stürzten sich fliegende Echsen in die See, um die Flammen zu löschen, die an ihren Hälsen, auf ihren Rücken entstanden. Mit der Angst gejagter Wesen  flohen sie. Zwischen ihren Zehen, auf ihren rollenden aderdurchzogenen Flughäuten wurden Schlachten zwischen den Geschöpfen geschlagen, die sie mitschleppten. Sie klammerten sich an die Krallen der Ungetüme an, hingen an deren geblähten Halswampen in Reihen Ketten Girlanden. Tauchten die Tiere in See, so wurde der größte Teil der Bevölkerung von ihnen abgeschwemmt, schwamm an der Oberfläche, suchte die großen Tiere wieder zu fassen, wenn sie hoch kamen. In die See tauchend spülten sich die wandernden Tierriesen die zerfallenen Leichen ab. Aber mit sich selbst, unter sich schleppten sie Leichen.

Sie kämpften miteinander, sobald sie sich berührten, schlangen zerrissen sich. Und je mehr sie sich von Grönland entfernten, um so größer wurde ihre Not. Über See erschlugen sie sich; hungrig, aberoft konnten sie sich von den Besiegten nicht losreißen, die sich an ihren Rüsseln Borsten Hornplatten verklammert hielten. Mit der triefenden Masse wankten sie weiter, die Sprossen in sie hineintrieb. Und wie die Untiere die offenen, von dem rosenfarbigen grönländischen Licht nicht beschienene Meere befuhren, die Kälte über sie kam, wurden sie unsicher. Zuckten zwischen Meer und Himmel auf und ab, flüchteten vom Meer in die Wolken, die sie nicht wärmten. Sie konnten wenig sehen unter dem trüben Sonnenlicht. Verwirrt kehrten viele um. Aber die Geschwader der neu abfliegenden Tiere kamen über sie; diese Tiervölker zerrissen sie, schleppten sie nach Süden weiter. Unaufhörlich wie ein Blütenbaum seinen gelben Sonnenstaub warf Grönland seine lebendigen Massen von sich. Auf Skandinavien schmetterten sie nieder; dies war das erste Land, auf das sie stießen. Fjorde mit Granitklüften, wenige Wiesen, Schneeberge im Hintergrund. Hunger Beklemmung trieb die wandernden Untiere von Tag zu Tag stärker. Da prasselten sie über die Klippen, bedeckten kleine Menschensiedlungen. Im Sturz zerschellten viele, die sich über das Land warfen, als wären es Wellen. Die lebend herunterkamen, fingen an am Boden, an den Klippen zu beißen zu kauen zu schlingen. Zerrissen sich die Gaumen, ihre Zähne splitterten. Dröhnend drohend erhoben sie sich von ihren felsigen Opfern, schlugen mit den Klauen auf ihnen herum, schluckten mit blasenden Nüstern Steinbröckel Kiesel, griffen sich nach dem Rücken, stopften sich Farne, die sie abknickten, hinterher. Die Steine zerschrammten schlitzten ihnen den Darm. Speiend drehten sie sich im Kreise.

Nach Bergen kam ein Rudel vogelartiger Echsen mit den Rückenhöckern von Dromedaren, langen Hälsen, zweifüßige beflügelte Unwesen, die ein helles Schreien bei ihrer Annäherung ausstießen, das sich wie Kichern anhörte. Sie zerdrückten eine Zahl von Straßen und Anlagen. Mit den Haustrümmern stopften sie sich Menschen in den Schlund. Brände brachen um sie in der Stadtschaft aus. Die Waldungen von Famen Bärlappbäumen auf den Tierrücken wurden ab und zu von dem Feuer ergriffen. Zerstörend warfen sich die flammenden Tiere um, wälzten sich durch die Stadt.

Eine eigentümliche Art Fischwesen war gleichzeitig bei Bergen aus dem Meer aufgestiegen, Wesen von außerordentlicher Länge, die noch die der Echsen übertraf. Sie waren übermäßig wurmartig schmal gewachsen, hatten ein Wirbelskelett, das mit Schädel Rippen Wirbelkörper deutlich an dem fleischlosen Leib sichtbar war. Diese Tiere schienen sinnlos vor Hunger zu sein, waren halbblind. Wie Schlangen ringelten w tonlos die Klippen vom Meer herauf; ihre Leiber nahmen kein Ende. Sie schnauften mühsam, paßten sich der Luft an. Aber eine ganze Zahl schnellte zu rasch aus dem Wasser hoch; ihre schmächtigen Leiber schwollen plötzlich an, zuckten hingen über den Klippen; die Därme quollen ihnen aus den Schnauzen. An ihnen schlangen die Vogelechsen. Sie kamen alle nicht weit. Flogen etwas, senkten sich wieder auf den Boden. Es schien, als ob der Rest ihrer Kraft sie bei der Berührung mit den kalten Steinmassen der Erde verließ. Keines der skandinavischen Tiere, obwohl von niemandem verfolgt, kam über den sechzigsten Breitengrad auf dem Landweg nach Süden. Sie fraßen Bäume Ackererde. Dann lagen sie lahm. Warfen sich, schnellten wie in einem Anlauf hoch, verkamen. Die Waldungen Gärten Vögel Weichtiere hatten sie schon verschlungen, oder sie waren verbrannt. In die Erde fraßen sich die grönländischen Untiere ein, wie sie starben. Wuchsen dann sonderbar in ihre Gräber. Wo sie reglos lagen, wucherte die Erde, die sie verschlungen hatten, in ihren Mäulern, zwischen ihren Vogelkiefem, in den Schlundröhren, Eingeweiden aus, durchdrangen die Weichteile in langen spitzen Kristallen, sogen die Weichteile nach. Und um die Leiber herum, in den Bodenhöhlungen zitterte die Erde, ließ feine Kristallbündel sprießen, so daß die Riesenleichen in zackigen Nestern lagen. Die Körper der Untiere selbst aber vom Boden verschlungen, waren nichts als eigentümliche Bodenerhebungen, die sich wie Tierrümpfe über den Berghängen, über Ackerflächen hinzogen, von blitzenden Steinen begleitet. Die Untiere, die weiter den Süden erreichten, Jütland bestiegen, sich nahe Hamburg zeigten, waren Quallen und Medusen mit Armen, die sich untereinander zu starken Schwimmflossen verbanden. Auf das flache Land, über die sandigen Küsten wälzten sich in einem wilden Trieb, in zitternder Verwirrung die riesenstarken gallertigen Wesen. Ihre Körper, unter dem grönländischen Licht blühend durchsichtig, hatten in der Kälte der Meere die Gelbröte des Dotters angenommen; blutige geschwollene Stränge durchliefen sie. Sie rollten fauchten; dellten sich krampfhaft zusammen, sprangen flogen vorwärts. Sie spritzten Schleim um sich. - (gig)

Untier (3)  Als Diogenes  eine Frau in einer Sänfte erblickte, äußerte er: »Der Käfig paßt nicht zu dem Untier.« - (diog)

Untier (4)

die hose haltend

den einen ist bekannt er als 
das untier das in telefonen haust
ein einzig zeichen - schon
meldet sich der hundesohn.
den andern ist bekannt er als
der dauernd reisende, den nie
am telefone man erwischt; während vielleicht
er bloß in nebenstraß sein postfach leeret
nebstbei sein vorrat wein und wurst vermehret
oder nur notdürftig gereinigt zurück ans telefon zappelt
die hose haltend und die weil verfluchend

   - Ernst Jandl, Idyllen. Darmstadt 1989

Untier (5)

Fabeltiere

 

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