nterschicht
Güner schläft
nicht viel zurzeit, wegen des Wachstums. Es ist eine Erfolgsstory,
dieser Karottenjeanshandel. Sie machen Migrantenmode. Picaldi-Jeans. Oben weit, nach unten hin
immer enger. Manchmal enden sie in den Socken, aber das ist eigentlich
schon wieder vorbei. 472 heißt der Schnitt. Jungsmode, für Halbstarke,
die sich gegenseitig "Opfer" nennen, "Spast" und gerade Hosen hassen,
wie Güner sie trägt, "schwul" nennen sie die. Die Rapper bewundern, in
deren Texten viel gefickt wird: Väter, Mütter, Muschis, Steaks. Rapper
wie Bushido oder Eko Fresh. Auf dessen neuestem Album zeigt ihn ein
Foto im Picaldi-Pullover. Das Album heißt "Hartz IV". Reduziert kosten
manche Picaldi-Jeans so viel wie die CD. Sie haben viel Werbung
gemacht, um zu expandieren, zu existieren. Ein Slogan heißt: "Nix Aldi,
Picaldi". Es ist nicht nur Migrantenmode, es ist auch Hartz-IV- Mode.
Man kann sich ja die Konsumeigenschaften der Berliner Bezirke ansehen,
sagt Güner. Wo der Arbeitslosenanteil hoch ist, "Hartz IV oder so was",
da verkauft Picaldi gut. "Es geht viel über den Preis", sagt er,
"selbst 2, 3 Euro machen einiges aus." Am meisten kommen, wenn es
Angebote gibt, Hartz-IV-Opfermode. -
Johannes
Gernert
, taz vom 19.Oktober 2006