nterschied
Der Tod, sagte Thales von Milet, unterscheide sich nicht vom Leben. „Warum also,"
erwiderte ihm einer, „stirbst du nicht?" Darauf er: „Eben weil es keinen
Unterschied macht." - Thales, nach (
diol
)
Unterschied (2) Hartmut Lörke von der Kreisbibiliothek
Reval kritisiert in der Geologischen Rundschau, daß die Neugründung
von Nationen durch Anknüpfung an die Sprache,
an die Kultur und die genetische Abstammung erfolgt. Im Kaukasus, schreibt
er, würden nach diesen unglücklichen Kriterien, wie sie der US-Präsident
Wilson 1918 in den Raum setzte, 186 verschiedene Nationen, einander blutig
bekämpfend, begründet. Man müßte dafür eine gesonderte UNO gründen, spottet
er. Es werde sich aber erweisen, daß sich jedes dieser Völker, ähnlich
wie auf dem Balkan, unmittelbar nach Gründung in weitere differenzierte
Clans und Völker unterteilt, die ihrerseits einen unmittelbaren Sitz in
der Weltorganisation anstreben. Angesichts dessen, daß das Nationale insofern
ein zweifelhaftes Unterscheidungsmerkmal für neue Grenzbestimmungen bildet,
sei, schreibt Lörke, daraufhinzuweisen, daß der Mensch seiner Substanz
nach zu mehr als 30 % aus Silicium besteht, also aus Stein,
religiös-populär gesprochen »Erde oder Lehm«. Seine intelligenten Fortpflanzungsmittel,
die Chips, seien darüber hinaus überhaupt auf Silicium gegründet, und deshalb
sei die Anknüpfung an den Steinboden, auf dem eine Bevölkerung siedelt,
auch der korrekte Weg der Abgrenzung. - (
klu
)
Unterschied (3) Ohne die Evolutionsgeschichte
im Hinterkopf ist es fast unmöglich, die unterschiedliche sexuelle Mentalität
von Mann und Frau zu erklären. Im Augenblick ist es en vogue, solche Unterschiede
zu leugnen und darauf zu beharren, daß Frauen einzig durch gesellschaftliche
Repressalien daran gehindert werden, sich freizügige Pornographie
über Männer zu besorgen, beziehungsweise daß es nur paranoider
Machismo ist, der Männer zur Promiskuität treibt. Doch dabei ignoriert
man den ungeheuren sozialen Druck, dem Männer und Frauen heutzutage ausgesetzt
sind und dessen Ziel eine Minderung der Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern
ist. Eine moderne Frau erfährt von männlicher Seite den Anspruch, sich
sexuell offen zu verhalten, denselben Druck erfährt sie aber auch von selten
anderer Frauen. Ganz ähnlich stehen Männer unter dem steten Druck der Forderung,
»verantwortungsbewußter«, sensibler und treuer zu sein - ein Druck, der
sowohl von anderen Männern als auch von Frauen auf sie ausgeübt wird. Vielleicht
sind Männer eher aus Neid denn aus moralischen Beweggründen
Playboys gegenüber ebenso kritisch wie Frauen, häufig sogar kritischer.
Wenn Männer auf sexuelle Beute aus sind, dann trotz eines Jahrhunderte
währenden Drucks in die andere Richtung. -
Matt Ridley, Eros und Evolution. Die Naturgeschichte der Sexualität. München
1995 (zuerst 1993)
Unterschied (4) Vielleicht finden wir eine gewisse Milderung unserer Melancholie im Nachsinnen darüber oder auch in der Begründung, die ein Wissenschaftler für den Unterschied von Mensch und Tier gibt. »Die anatomische Überlegenheit des Menschen«, werden wir belehrt, »besteht hauptsächlich dem Grade nach, nicht in der Art der Unterschiede, die sind nicht absolut. Sein Gehirn ist größer und vielfältiger, und seine Zähne ähneln denen von Tieren in Zahl und Form, sind aber kleiner und lückenlos angeordnet, und in einigen Fällen unterscheiden sie sich in der Reihenfolge.«
Wir haben wirklich allen Grund, stolz zu sein und uns zu beglückwünschen.
Zu diesen Gründen gehört das neue und freundliche Interesse, das die Völker
füreinander zeigen. »Richard L. Garner« (ich zitiere wieder Herrn
Schwidetzky) »ging in den Kongo, um Gorillas und Schimpansen in ihrer natürlichen
Umwelt zu studieren und ihre Sprache zu erforschen. Er nahm einen Drahtkäfig
mit, den er im Dschungel aufstellte und von dem aus er die Affen beobachtete.«
Unglücklicherweise bleibt ein solcher Drahtkäfig - der ja für phantasievolle
und idealistisch gesonnene Geister praktisch unsichtbar ist - doch immer
Teil solcher Experimente. »Garner jedoch versuchte einer kleinen
Schimpansin menschliche Wörter beizubringen. Die Lippenstellung für das
Wort ›Mama‹ wurde korrekt nachgeahmt, aber kein Ton war zu hören.« Das
ist interessant, denn ein neuerer Psychoanalytiker hat behauptet, die Ursache
für die gegenwärtige Ruhelosigkeit in Europa sei der Wunsch jeden Mannes,
der einzige Sohn einer Witwe zu sein. - Aus: Edith Sitwell,
Englische Exzentriker. Berlin 2000 (Wagenbach
Salto 93, orig, 1933)
Unterschied (5) Ohne sterben kann man nicht übeler sein, als ich an meiner gelbsucht gewesen, so mir von nichts kommen als von dem vielen purgieren. Man hat mich wollen wie eine französin tractieren und man bedenkt nicht, daß einem teutschen rauschenplattenkechtgen1 die französchen possen: aderläß und purgationen gar nicht zukommen. Auch habe ich alle diesem teufelswerk abgesagt, seyderdem befind ich mich viel besser; ich halte mich an den elixier von Garus, welcher mir wohl bekompt und, ob gott will, allgemach wieder zurecht bringen wird.
[ 1 ] Kosename für Elisabeth Charlotte aus der Kindheit,
anspielend auf ihr etwas ungestümes Wesen.
- (lis)
Unterschied (6) Die Laster entspringen einer Verderbtheit des Herzens; die Mängel einem Gebrechen des Temperaments; Lächerlichkeit einem Fehler des Geistes.
Lächerlich ist, wer, solange er es bleibt, wie ein Einfältiger erscheint.
Der Einfältige ist immer lächerlich; das gehört zu seinem Charakter;
auch wer Geist hat, kann der Lächerlichkeit verfallen, aber er befreit
sich wieder davon. Selbst der Kluge erscheint lächerlich, wenn er sich
irrt. Die Dummheit steckt im Einfältigen, die Albernheit im Fanten,
vorlautes Wesen im Unverschämten: Lächerlichkeit
scheint bald an dem zu liegen, der wirklich lächerlich ist, bald in der
Einbildung derer, die Lächerliches zu sehen glauben, wo es nicht ist
und nicht sein kann. - (
bru
)
Unterschied (7) Vieles ist in jedem Land anders, vieles überall gleich.
Aber vielleicht ist es das Elend, das jenseits der Grenzen die Farbe am stärksten wechselt.
Das Elend der Pariser Armenviertel, der kleinen Kneipen an der Porte d'Italie oder de Saint-Ouen, das verschämte Elend von Montmartre oder vom Père-Lachaise waren ihm vertraut. Auch das endgültige Elend an den Kais, an der Place Maubert oder bei der Heilsarmee.
Es war ein Elend, das man begriff, dessen Ursprung man aufspüren und dessen Entwicklung man verfolgen konnte.
Hier vermutete er das Vorhandensein eines sauber gewaschenen Elends ohne Lumpen, eines Elends mit Badezimmer, das ihm aber härter, unerbittlicher, verzweifelter erschien.
Er stieß endlich die Tür zur Pinguin-Bar aut und setzte sich auf einen Schemel. Der Barmann, der ihn wiedererkannte, erinnerte sich an das, was er in der vorhergehenden Nacht getrunken hatte, und schlug freundschaftlich vor:
»Manhattan?«
Er sagte ja. Es war ihm gleichgültig. Es war erst acht Uhr abends. Es war noch nicht Nacht, aber schon waren es zwanzig, die an der Theke tranken, während in den Boxen einzelne Tische bereits besetzt waren. Ein Mädchen, das eine lange Hose und ein weißes Hemd trug, bediente im Raum. Er hatte sie am Abend zuvor nicht bemerkt und folgte ihr mit den Augen. Ihre Hose war aus feinstem schwarzem Tuch und ließ bei jedem Schritt die Hüften und Schenkel sehen. Sie war wie die Mädchen einer Wandreklame, eines Kalenders oder einer Filmzeitung.
Wenn sie mit der Bedienung fertig war, ließ sie fünf Cents in den Musikautomaten gleiten und wählte eine gefühlvolle Melodie. Dann stützte sie sich mit einem Ellenbogen auf eine Ecke der Theke und träumte.
Es gab hier keine Terrassen, wo man einen Aperitif trinken und dabei im Schein der untergehenden Sonne die draußen Vorübergehenden beobachten und den Duft der Kastanienbäume einatmen konnte. Man trank, aber dazu mußte man sich in eine dunkle Bar setzen, in die niemand hineinblicken konnte, als befriedigte man ein Bedürfnis, dessen man sich schämte.
Trank man etwa deshalb mehr? - Georges Simenon, Maigret in Arizona.
München 1976 (Heyne Simenon-Kriminalromane 16, zuerst 1949)
Unterschied (8) Die Hannoveraner sind
die Bewohner einer Stadt, einer Großstadt. Hundekrankheiten bekommt der
Hannoveraner nie. Hannovers Rathaus gehört den Hannoveranern, und das ist
doch wohl eine berechtigte Forderung. Der Unterschied zwischen Hannover
und Anna Blume ist der, daß man Anna von hinten und von vorn lesen kann,
Hannover dagegen am besten nur von vorne. Liest man aber Hannover von hinten,
so ergibt sich die Zusammenstellung dreier Worte: "re von nah".
Das Wort "re" kann man verschieden übersetzen: "rückwärts"
oder "zurück". Ich schlage die Übersetzung "rückwärts"
vor. Dann ergibt sich also als Übersetzung des Wortes Hannover von
hinten: "Rückwärts von nah". Und das stimmt insofern, als
dann die Übersetzung des Wortes Hannover von vorn lauten würde: "Vorwärts
nach weit". Das heißt also: Hannover strebt vorwärts, und zwar ins
Unermeßliche. Anne Blume hingegen ist von hinten wie von vorne: A-N-N-A.
(Hunde bitte an die Leine zu führen.) -
Kurt
Schwitters
Unterschied (9) Bevor Damiens zu Tode gebracht
wurde, wurde ihm gemäß Urteil die Tathand mit brennendem Schwefel verkohlt (brûlée
de feu de souffre). Er wurde mit glühenden Zangen gefoltert. Flüssiges Wachs,
Pech, Blei, Schwefel und kochendes Öl goss man in seine tiefen Wunden. Sechs
Pferde waren nötig, den Unglücklichen hinzurichten,
was erst nach Durchtrennung der Arm- und Beinsehnen durch Sanson
gelang. Seine Körperteile wurden zu Asche verbrannt und in alle Winde zerstreut.
Nach seinem Tod wurde gemäß der Gesetzesvorschrift für Königsattentäter sein
Haus niedergerissen, der Platz eingeebnet und dort ein Bauverbot verhängt. Seinen
Geschwistern Louis, Antoine-Joseph und Catherine Damien, verwitwete Cottel,
und deren Anverwandten wurde bei Androhung der Todesstrafe befohlen, ihre Namen
zu ändern. Seine direkten Verwandten, Vater Pierre-Joseph Damien, Frau Élisabeth
Molerienne und Tochter Marie-Élisabeth Damien, wurden, ebenfalls durch Androhung
der Todesstrafe bei Rückkehr, für immer des Königreiches verwiesen. Es war eine
der grausamsten Hinrichtungen der Neuzeit und die letzte ihrer Art in Frankreich
- erschwert durch den Umstand, dass es sich um keinen Mord, sondern um einen
Tötungsversuch handelte. Das französische Gesetz über Königsmord (parricide,
regicide) machte da keinen Unterschied. -
wikipedia
Unterschied (10) Aristippos fuhr mit dem
Schiff, als ein Sturm aufkam, und er geriet in große Aufregung. Da sagte einer
der Mitreisenden: „Was denn, Aristippos, auch du fürchtest
dich wie die gewöhnlichen Leute?", worauf der erwiderte: „Ja, und das ist
ganz natürlich; denn worum ihr euch abmüht und was jetzt in Gefahr ist, ist
ein unglückliches Leben, bei mir aber ein glückliches." - (
ael
)
Unterschied (11) Terranische Archive 2803:
Terroristen waren Banden von verzweifelten Personen, ähnlich wie Regierungen,
die sich hauptsächlich mit Mord und Erpressung beschäftigten. In seiner exzellenten
Studie «Von den nahrungssarnmelnden Pavianhorden zum Bewußtsein» demonstriert
Nomis van Noom mindestens drei Unterschiede zwischen Terroristen und Regierungen:
1. Das Alpha-Männchen einer terroristischen Vereinigung war gewöhnlich
ein Intellektueller, während es in der Regierung meistens ein Jurist war. 2.
Terroristen prägten nicht wie die Regierung eine eigene Währung. 3. Terroristen
ermordeten gewöhnlich kleine Gruppen (von zwei bis drei zu ein paar Dutzend
Menschen); Regierungen dagegen Millionen. Sonst unterschieden sich die beiden
Organisationen in nichts von irgendwelchen anderen menschlichen Gangsterbanden
von den Australopithezinen circa 4 000 000 v. Chr. bis zur Dämmerung des Wahren
Bewußtseins, die durch die evolutionäre Mutation in Gang gesetzt wurde. - Robert Anton Wilson,
Schrödingers
Katze
. Das Universum nebenan. Reinbek bei Hamburg 1987
Unterschied (12)
- Charles M.
Schulz
,
We're on your side, Charlie Brown. London 1969 (Hodder Fawcett Coronet
Books, zuerst ca. 1957)
Unterschied (13) Ce qui distingue une putain
d'une honnête femme, c'est qu'une putain fait le
bonheur de beaucoup d'hommes tandis qu'une honnête femme fait le malheur d'un
seul. - Jean
Yanne
Unterschied (14) In den Magen getroffen, brüllt der Nubier, indem er sich zurückbäumt, und in diesem letzten Augenblick, da der Schmerz wie eine Flamme aus Haß ist, fällt die Kraft, die seinen Körper flieht, ganz in seinen Arm und er vermag den Dreizack in den Rücken seines auf dem Gesicht liegenden Rivalen zu stoßen. Er stürzt über Marcos Körper, und von den Zuckungen rollt er auf die Seite. In den Sand gespießt wie ein riesiges leuchtendes Insekt, bewegt Marco leicht den Arm.
»Das geschieht nicht oft«, sagt der Prokonsul zu Irene gewandt, »daß zwei Gladiatoren von solchem Ruhm sich gegenseitig umbringen. Wir können uns beglückwünschen, ein seltenes Schauspiel gesehen zu haben. Ich werde es heute abend meinem Bruder schreiben, um ihn in seiner langweiligen Ehe zu trösten.«
Irene sieht, wie Marco den Arm bewegt, eine langsame sinnlose Bewegung, als
wolle er sich den Dreizack, der in seinen Nieren steckt, herausreißen. Sie stellt
sich den Prokonsul nackt auf dem Sand vor, mit demselben Dreizack, bis zum Schaft
in ihm steckend. Der Prokonsul aber würde nicht den Arm mit dieser letzten Würde
bewegen; er würde schreien und strampeln wie ein Hase und ein erzürntes Publikum
um Vergebung bitten. - Julio Cortázar, Das Feuer aller Feuer. In: J. C.,
Südliche Autobahn. Frankfurt am Main 1998