nruhe,
matte Dein Brief hat mich in einer trostlosen Lage getroffen.
Ich bin aus Thüringen mit der fast apodiktischen Gewisheit zurückgekommen, daß
Sofie nur noch wenige Tage zu leben hat. Wenn ich nur immer weinen könnte, aber
so bin ich in einer schlaffen, ängstlichen Gleichgültigkeit, die mir jede Faser
lähmt. Es ist eine Verzweiflung in mir, deren Ende ich nicht absehe. Der Ekel,
den mir alles, Vergangenheit, Gegenwart, und Zukunft, einflößt, ist unbeschreiblich.
Nur selten kann ich mich auf einige Stunden mit Arbeiten zerstreuen. Der Kopf
ist in dem wüstesten Zustande - ich kann nichts mehr finden. Die Gewisheit ihres
Besitzes ist mir zu unentbehrlich geworden - jezt erst fühl ich, wie Sie, mir
selbst unmercklich, der Grundstein meiner Ruhe, meiner Thätigkeit, meines ganzen
Lebens gewesen ist. Der Lebensüberdruß ist entsezlich - und ich sehe kein Ende.
Ich hoffte, die Wissenschaften sollten mir einen Ersatz bieten - aber alles
ist auch hier todt, wüste, taub, unbeweglich. Der Schlaf ist meine einzige Wolthat
- wenn ich kann, so schlafe ich. Gott weiß, wie sich das alles lösen soll -
Dich sah ich doch gern - Du würdest mich doch vielleicht mit Deinen kräftigen
Ansichten der Dinge und Wissenschaften beleben - ach! nur ein Funken Lebensgeist
- matte Unruh ist ein fürchterlicher Zustand. - Novalis an Friedrich Schlegel, 14.
März 1797
|
||
|
||