ngeselligkeit  Wahrlich, das Lügen ist ein verfluchtes Laster. Wir sind nur Menschen und haben nur Gemeinschaft miteinander durch das Wort. Wenn wir die Abscheulichkeit und die Schwere dieses Lasters einsähen, wir würden es füglicher als andere Verbrechen mit Feuer und Schwert verfolgen.

Ich finde, daß man sich gewöhnlich ganz ungereimt damit bemüßigt, Kinder für unschuldige Fehler zu züchtigen und wegen mutwiliger Streiche zu peinigen, die weder Wirkung noch Folge haben. Die Lügenhaftigkeit allein, und ein wenig danach die Verstocktheit, scheinen mir die Fehler zu sein, die man mit aller Macht schon im Keim und im Aufkommen bekämpfen sollte. Sie wachsen mit ihnen auf. Und wenn man der Zunge einmal diese falsche Gewöhnung gegeben hat, ist es zum Erstaunen, wie aussichtslos es ist, sie wieder davon abbringen zu wollen. So kommt es denn, daß wir im übrigen rechtschaffene Menschen diesem Laster unterworfen und hörig sehen. Ich habe einen guten Gesellen von Schneider, den ich nie ein wahres Wort sagen hörte, selbst dann nicht, wenn es sich fügt, daß es ihm zu Nutzen wäre.

Wenn, wie die Wahrheit, die Lüge nur ein Gesicht hätte, so wären wir besser dran. Denn dann würden wir das Gegenteil dessen für gewiß halten, was der Lügner sagt. Aber die Kehrseite der Wahrheit hat hunderttausend Spielarten und ein unbegrenztes Feld. Für die Pythagoräer ist das Gute gewiß und bestimmt, das Böse aber ungewiß und unbestimmt. Tausend Wege gehen vom Ziel ab, einer führt hin.

Fürwahr, ich stehe nicht dafür, daß ich mich dazu überwinden könnte, eine augenscheinliche und dringende Gefahr durch eine freche und feierliche Lüge abzuwenden. Ein alter Kirchenvater sagt, daß wir uns besser in der Gesellschaft eines Hundes befinden, den wir kennen, als eines Menschen, dessen Sprache wir nicht kennen. Ut externus alieno non sit hominis vice. Und wieviel ungeselliger ist doch falsche Rede als Stillschweigen. - (mon)

Ungeselligkeit (2) Das zweite Gesetz der Thermodynamik erklart, daß es Energieprozesse gibt, die nicht umkehrbar sind. Wärme und Licht sind nichts anderes als Formen von Energie. Man braucht nur Licht auf eine schwarze Oberfläche fallen zu lassen, so verwandelt Licht sich in Wärme. Die Wärme kann indessen nicht wieder die Form von Licht annehmen. Diese dem Anschein nach harmlose oder banale wissenschaftliche Tatsache erledigt den Kreislauf der Ewigen Wiederkehr. Das erste Gesetz der Thermodynamik sagt, daß die Energiemenge im Weltraum konstant ist; das zweite, daß diese Energie einen Hang zur Ungeselligkeit, zur Unordnung hat, wenn auch das totale Quantum keine Einbuße erleidet. Diese allmählich fortschreitende Desintegrierung der Kräfte, die das Universum bilden, ist die Entropie. Wenn erst einmal das Maximum von Entropie erreicht ist, wenn erst einmal die unterschiedlichen Temperaturen ausgeglichen sind, wenn erst einmal jede Wirkung eines Körpers auf einen anderen ausgeschaltet (oder kompensiert) ist, wird die Welt eine zufällige Ansammlung von Atomen sein. In der Tiefe der Gestirnzentren hat sich dieser schwierige und tödliche Ausgleich bereits vollzogen. Durch ständigen Austausch wird er sich im gesamten Universum vollziehen, und Wärme und Tod werden der Endzustand sein.

Das Licht geht an die Wärme verloren; das Universum macht sich von Minute zu Minute unsichtbar. Auch verliert es ständig an Gewicht. Eines fernen Tages wird nichts mehr sein - nur noch Wärme, ausgeglichene, bewegungslose, gleichgültige Wärme. Dann wird die Welt gestorben sein. - (bo2)

Ungeselligkeit (3)  Geselligkeit gehört zu den gefährlichen, ja, verderblichen Neigungen, da sie uns in Kontakt bringt mit Wesen, deren große Mehrzahl moralisch schlecht und intellektuell stumpf oder verkehrt ist. Der Ungesellige ist Einer, der ihrer nicht bedarf.  - (schop)

Ungeselligkeit (4)   Er fühlt sich dermaßen unbehaglich in Gesellschaft daß er sich alle Augenblicke sagen muß aber Edouard, das ist doch alles unwichtig und diese Leute wollen dir doch nichts Böses. Was den gegenteiligen Effekt hat daß er wie ein Opferlamm wirkt und außerdem noch wie abwesend. Ergebnis, er wird immer seltener eingeladen. Das Merkwürdige ist er leidet darunter. Worunter? Daß er mit niemandem mehr verkehrt? Nein, daß niemand mehr mit ihm verkehrt.  - (rp)

Ungeselligkeit (5)  

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