nfug
Einer der immer zu Unfug aufgelegten indischen
Dämonen, der in der Nähe von Ali ben Ali's Heimatstadt
an einem Kreuzweg hauste und lediglich die Aufgabe hatte, reisende Kaufleute
zu belästigen, fand, als an eben diesem Kreuzweg ein Galgen
errichtet wurde, ein Vergnügen daran, abends in seiner freien Zeit die baumelnden
Gehenkten in rhythmische
Schwingungen zu bringen. Zuerst ließ er sie in bunter Reihe durcheinander pendeln,
in dem er sich, wie ein Affe an die Schaukel,
an ihre Füße hing und sich vor- und rückwärts schwang. Je mehr arme Sünder am
Galgen hingen, und je länger er sich übte, umso kunstvollere Schwebeballets
mit einem immer versteckteren ryhthmischen Gesetz heckte er aus. Da die Dämonen
nun allerhand Fähigkeiten haben, die uns als Zauber erscheinen würden, so vor
allem die, in jedes tote Ding wie eine Seele hineinzuschlüpfen,
verfiel er eines Nachts auf den lustigen Gedanken, in den rechten Flügelmann
der Hängenden, der sehr lang war, infolgedessen immer langsamer pendelte und
den Takt verdarb, hineinzufahren, um ihm von innen heraus mehr Tempo zu geben.
Er schwang sich also mit dem 11. Spruch, Absatz b der Dämonologie, welcher alle
Belebungen toter Dinge, im Absatz b speziell der ehemals lebendigen Körper,
betrifft, empor — und wäre gleich darauf beinahe in dem Gehenkten erstickt,
wenn er nicht schnell den Zauber rückwärts hergedacht hätte (denn sagen konnte
er ihn in dem alten zugeschnürten Räuber nicht), worauf er wieder wie vorher,
nur noch ziemlich erstickt, über den Kreuzweg hüpfte. Er war sehr erschrocken,
aber trotz seiner Lustlosigkeit hatte er einen Moment großes Vergnügen daran
empfunden, die ungeschlachten Glieder des Räubers ganz von innen heraus hampelmannartig
zu bewegen und auf einmal viel größer zu sein als vorher. Wobei zu beachten
ist, daß die indischen Dämonen ganz wesentlich kleiner sind, als die, die im
übrigen ebenso nur aus unsichtbarem Seelenstoff bestehenden, afrikanischen oder
gar europäischen. Er schnitt den Räuber also mit der Schärfe seines originellen
Gedankens vom Galgen los, erweiterte ihm den Strick, bis er nur wie ein lose
geschlungener Selbstbinder um den Hals des Langen lag, und wiederholte seinen
Versuch. Es gelang viel besser, obschon noch nicht gänzlich. Es ergab sich nämlich
die neue Schwierigkeiten, daß er immer hinfiel, weil er vom Kopfe aus den schweren
Kerl nicht ins Gleichgewicht brachte und überhaupt mit dem seine Mühe hatte,
wie ein älterer Herr, der Radfahren lernen will, mit dem Rade. Doch setzte er
täglich seine Versuche mit Eifer, dem Spruch 11 Absatz b und verschiedenen Körpern
— um sich vor Einseitigkeit zu schützen — fort und konnte schon nach wenigen
Tagen in jedem Leichnam wandeln, reden, essen und trinken. Nun schnitt er sich
täglich mehr Leiber vom Baum, legte sie nebeneinander und fuhr mit immer wachsender
Geschwindigkeit von einem in den andern, sodaß alle diese Toten
zu leben schienen, aufstanden, hinfielen, sprachen, mitten im Satz abbrachen,
den ein anderer aufspringend dann richtig fortführte. - Wilhelm
von Scholz, Seelenwanderungskunst.
In: Jenseits der Träume. Seltsame Geschichten vom Anfang des Jahrhunderts. Hg.
Robert N. Bloch. Fankfurt am Main 1990 (st 1595, zuerst 1916)
Unfug (2) «Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant,
alles is in Ordnung, nur die Katze hat Unfug getrieben und den Kanari aufgefressen.»
«Wieso?» donnerte der Oberleutnant.
«Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, so. Ich hab gewußt, daß Katzen Kanaris
nicht gern ham und ihnen gern was zuleid tun. So hab ich sie zusamm bekannt
machen wolln, und im Fall, daß die Bestie was unternommen hätt, wollt ich ihr
den Pelz verbleuen, damit sie ihr Leben lang nich dran vergißt, wie sie sich
zum Kanari benehmen soll, weil ich Tiere sehr gern hab. Bei uns im Haus is ein
Hutmacher, und der hat eine Katze so dressiert, daß sie ihm zuerst drei Kanaris
aufgefressen hat und jetzt nicht einen, und der Kanari kann sich meintwegen
auf sie setzen. Ich wollts also auch versuchen und hab den Kanari ausn Käfig
genommen und ihr ihn »u beschnuppern gegeben, und sie, der Aff, hat ihm, eh
ich mich versehn hab, den Kopf abgebissen. Ich hab wirklich so eine Gemeinbeit
nicht von ihr erwartet. Wenns ein Spatz wär, Herr Oberlajtnant, möcht ich noch
nichts sagen, aber so ein hübscher Harzer Kanari. Und wie gierig sie ihn samt
den Federn aufgefressen hat, und dabei hat sie vor lauter Freude geknurrt.» -
Jaroslav Hašek, Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Reinbek bei 1969
(zuerst 1920 - 1923)