nbotmäßigkeit Unter
»Unbotmäßigkeit« (»messing-up«) versteht man einen komplexen Vorgang,
der sich aus dem Begehen einer verbotenen Handlung (manchmal bis hin zum Fluchtversuch),
dem Erwischtwerden und einer darauf folgenden »angemessenen« Bestrafung zusammensetzt.
Für gewöhnlich tritt eine Veränderung des Privileg-Status ein, was sich in einem
Ausdruck wie »geschnappt werden« manifestiert. Zu den »Unbotmäßigkeiten« zählen
typische Verstöße wie: Schlägereien, Trunkenheit, Selbstmordversuch, Durchfallen
bei Prüfungen, Glücksspiel, Insubordination, Homosexualität, unerlaubte Entfernung
aus der Anstalt und die Teilnahme an kollektiven Aufständen. Obgleich diese
Verstöße normalerweise auf die Bosheit, Gemeinheit oder »Krankheit« des Delinquenten
zurückgeführt werden, bilden sie doch eine, wenn auch unvollständige Liste institutionalisierter
Handlungen; folglich kann die gleiche Unbotmäßigkeit aus ganz verschiedenen
Gründen begangen werden. Mitunter sind sich Stab und Insassen stillschweigend
einig, daß eine bestimmte Unbotmäßigkeit für den Insassen z. B. eine Möglichkeit
darstellt, seine Unzufriedenheit mit einer Situation zu zeigen, die er, gemäß
den informellen Übereinkünften zwischen Stab und Insassen, als ungerecht empfindet; oder
eine Möglichkeit, die Entlassung hinauszuschieben, ohne daß er seinen Mitinsassen
gegenüber zugeben müßte, daß er tatsächlich gar nicht hinaus will.
- Irving Goffman, Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten
und anderer Insassen. Frankfurt am Main 1973 (es 678, zuerst 1961)